- Stadt Zürich
20 Jahre Zürcher Laubbläser-Geschichte
Wer auf der Webseite des Zürcher Gemeinderats nach Vorstössen zu Laubbläsern sucht, findet eine schriftliche Anfrage der damaligen SVP-Gemeinderätin Ruth Anhorn vom 12. Januar 2005, also von vor 20 Jahren. Damals war Martin Waser (SP) Vorsteher des Tiefbau- und Entsorgungsdepartements. Ruth Anhorn schrieb: «Es scheint Mode zu sein, dass man das Laub mit einem Zweitakt-Gebläsegerät zusammenbläst. Das erregt vielerorts die Gemüter. Einerseits werden Lärm und Gestank verursacht und andererseits wird der am Boden liegende Dreck, Staub etc. aufgewirbelt und belastet dadurch unsere Luft.» Vom Stadtrat wollte sie unter anderem wissen, ob ihm diesbezügliche Reklamationen bekannt seien.
Der Stadtrat antwortete ihr, für die Stadtreinigung von Entsorgung und Recycling Zürich ERZ sei der Laubbläser in einigen Fällen «unverzichtbar», etwa, wenn es darum gehe, «Laub und Schmutz von Treppen, unter parkierten Fahrzeugen, hinter Sitzbänken und von Baumscheiben wegzublasen». Umgekehrt seien die Nachteile dieser Geräte «offenkundig», sie seien laut, bräuchten viel Zweitaktgemisch und belasteten die Luft durch aufgewirbelten Feinstaub. Doch «auf Laubbläser kann nicht verzichtet werden, ohne gleichzeitig den Reinigungsstandard zu senken». Und ja, «es gab in den vergangenen Jahren stets Lärmklagen wegen des Einsatzes von Laubbläsern und andern Gartengeräten in Friedhöfen, Schulhöfen und auch im öffentlichen Grund».
Budget und Begleitpostulat
2010 reichten Matthias Probst und Christina Hug (beide Grüne) ein Begleitpostulat zum Budget 2011 ein, konkret zum Posten «Anschaffungen von Maschinen, Geräten und Fahrzeugen» für die Dienstabteilung Grün Stadt Zürich von ERZ, der am 21. Dezember 2011 behandelt wurde. Die Absicht dahinter: «Keine Neubeschaffung von Laubbläsern.» Die Mehrheit (Grüne, SVP und GLP) wollte das Budget dadurch um 3500 Franken verbessern. Die Minderheit (FDP und AL) war dagegen, die SP enthielt sich der Stimme.
Die Postulant:innen baten den Stadtrat, zu prüfen, «wie die Stadtverwaltung in Zukunft im Sinne eines Kulturwandels bei der Reinigung asphaltierter und anderer Flächen auf Laubbläser verzichten kann und wie bei privaten Anwendern dieser Maschinen erreicht werden kann, dass sie darauf verzichten». Mit dem Verweis auf die Sauberkeit, den der Stadtrat etwa im Geschäftsbericht 2005 bringe, mache er es sich «aus Sicht der Jungen Grünen etwas gar zu einfach», schrieben sie weiter. Denn «Laubbläser waren und sind ein Luxusprodukt der modernen Reinigungsindustrie», ohne das es sich bestimmt immer noch gut leben lasse: «Herbstlaub ist in Zürich kein neues Phänomen, und ein sauberes Stadtbild war auch vor der Existenz des Laubbläsers schon ein Markenzeichen Zürichs.» Der Rat überwies das Postulat mit 82 zu 36 Stimmen. Vorsteherin des Tiefbau- und Entsorgungsdepartements war damals die Grüne Ruth Genner, und sie erklärte sich bereit, das Postulat entgegenzunehmen. Es scheint allerdings in einer tiefen Schublade gelandet zu sein und wurde am 17. September 2014 abgeschrieben. Da hatten Christina Hug und ihre Fraktionskollegin Gabriele Kisker jedoch bereits nachgelegt, und zwar mit ihrer Motion vom 23. Oktober 2013 «betreffend Allgemeine Polizeiverordnung APV, Beschränkung des Einsatzes von Laubbläsern und Laubsaugern auf die Monate Oktober und November». Dies geschah parallel zur Einreichung einer gleichlautenden Petition der Grünen Stadt Zürich mit über 4300 Unterschriften.
Der Stadtrat lehnte die Motion ab und beantragte die Umwandlung in ein Postulat. In seiner Begründung findet sich etwa folgender Satz: «ERZ verwendet Laubbläser nur noch bei grossem Laubanfall von Mitte September bis Mitte Dezember.» Zudem würden 4-Takt-Geräte «konsequent durch Elektrobläser ersetzt», die «rund vier Mal leiser» seien: «Aktuell ist bereits etwa die Hälfte aller Laubbläser von Grün Stadt Zürich Elektromodelle; bis Ende 2014 werden es rund 60 Prozent sein.» Und weiter: «Es ist davon auszugehen, dass in den nächsten drei bis vier Jahren eine vollständige Umrüstung auf Elektrobläser erfolgen kann.» Anlässlich der Behandlung der Motion im Parlament am 4. Juni 2014 sprach der damalige Vorsteher des Polizeidepartements (das heute Sicherheitsdepartement heisst), Richard Wolff (AL), namens des Stadtrats von einer Güterabwägung und von «grosser Sympathie für dieses grundsätzliche Anliegen», doch es gebe relevante Einwände. Er nannte die kurz zuvor «entschlackte» Allgemeine Polizeiverordnung – ein Laubbläserverbot wäre «ein Rückschritt». Die Umsetzung würde «grossen administrativen Aufwand» verursachen. Der Lärm störe, doch vier Menschen zum Reinigen einer Fläche anzustellen, die auch nur ein Mensch reinigen könnte, so er einen Laubbläser benutzen dürfte, «würde uns auch stören». In der Debatte sprachen sich FDP, SVP und GLP gegen die Motion aus, SP und Grüne dafür. Gabriele Kisker war einverstanden mit der Umwandlung in ein Postulat, dieses wurde mit 68 gegen 53 Stimmen überwiesen. Was weiter damit passierte, lässt sich zumindest aus der Webseite des Gemeinderats nicht herauslesen – es hat aber auch keinen Vermerk, dass es abgeschrieben worden wäre.
Noch eine Anfrage, noch eine Motion
Am 29. November 2017 doppelte Gabriele Kisker mit einer Schriftlichen Anfrage nach. Sie erwähnte die Petition und die als Postulat überwiesene Motion und fügte an, «leider hat die Bevölkerung von den damals versprochenen Schritten des Stadtrats seither nichts feststellen können». Der Stadtrat antwortete am 7. März 2018, die Prüfung vier weiterer Schritte habe ergeben, dass sich die Stadt «in erster Linie im eigenen Einflussbereich» auf die Umstellung auf Elektrogeräte fokussiere. Die 2014 angestrebte Frist von drei bis vier Jahren habe aber «nicht ganz» eingehalten werden können. Die Stadt habe jedoch mit einem Schreiben an die eidgenössischen Behörden gefordert, «dass der Einsatz von Laubbläsern und Laubsaugern mit Verbrennungsmotoren aus Gründen des Gesundheits- und Lärmschutzes durch entsprechende Änderungen im Bundesrecht unterbunden» werden sollte. Auf der Internetseite der Stadt werde ein Merkblatt «über die Vorzüge elektrisch betriebener Laubbläser aufgeschaltet». Die Wirkungsabschätzung einer Sensibilisierungskampagne sei im Fall von Laubbläsern jedoch schwierig: «Der Stadtrat hat deshalb auf ein Schreiben an professionelle Hauswartungen bisher verzichtet.»
Die Gemeinderäte Jürg Rauser (Grüne), Alan David Sangines (SP) und zwölf Mitunterzeichner:innen reichten am 24. August 2022 eine weitere Motion ein mit dem Auftrag an den Stadtrat, dem Gemeinderat eine Vorlage zur Anpassung der APV vorzulegen, «welche regelt, dass im Sinne des Lärm- und Gesundheitsschutzes der Einsatz von Laubbläsern und Laubsaugern für alle Anwenderinnen und Anwender auf dem ganzen Gebiet der Stadt Zürich auf die Monate Oktober bis Dezember eingeschränkt wird». Auch diese Motion wollte der Stadtrat bloss als Postulat entgegennehmen. In seiner Antwort vom 8. März 2023 schrieb er unter anderem, ein generelles Verbot von Laubbläsern und Laubsaugern in Zürich für die Monate Dezember bis September lehne er ab: «Damit würde aus Sicht des Stadtrats versucht, ein gesellschaftliches Thema mit polizeilichen Mitteln und Bussen zu lösen.»
Anlässlich der Behandlung der Motion in der Ratssitzung vom 29. März 2023 erwähnte Jürg Rauser laut substanziellem Protokoll jener Sitzung unter anderem einen Artikel aus der NZZ vom 14. März 2023, der darauf aufmerksam mache, dass die Geräte «von Privaten auf sehr unkonventionelle Weise angewandt» würden, etwa um – «auf der ersten Stufe» – eine Lego-Star-Wars-Sammlung zu entstauben … «Deswegen zweifle ich am Appell an die Eigenverantwortung», setzte Jürg Rauser sein Votum fort und fügte an, wenn Laubbläser nur in den «Laubmonaten Oktober bis Dezember» eingesetzt werden könnten, sei das «kein Verbot, sondern eine Beschränkung auf die Zeit, in der die Geräte für ihren eigentlichen Zweck eingesetzt werden». Die Motion wurde mit 76 gegen 42 Stimmen überwiesen.
Und heute?
Damit in die Gegenwart: Die aufgrund dieser Motion entstandene Vorlage des Stadtrats zur Teilrevision der APV «betreffend Einschränkung Einsatz von Laubbläsern» datiert vom 15. Mai 2024 und wurde letzte Woche im Rat behandelt (siehe auch P.S. vom 28. Februar). Der Stadtrat schlug Folgendes vor: «Art. 25a 1 Die Verwendung von Laubblas- und Laubsauggeräten im Sinne der Maschinenlärmverordnung im Zeitraum vom 1. Januar bis 30. September ist verboten. 2 Das Sicherheitsdepartement kann die Verwendung von elektrisch betriebenen Laubblas- und Laubsauggeräten ausnahmsweise bewilligen, insbesondere wenn: a. grössere Mengen an Laub oder Unrat innert kurzer Zeit zu entfernen sind; b. eine wesentliche Arbeitserleichterung bei schwierigen Reinigungssituationen erzielt werden kann.»
Die Mehrheit (Grüne, SP, AL) der Sachkommission Sicherheitsdepartement/Verkehr beantragte jedoch folgende Änderung: Es sollen nur elektrisch betriebene Laubblas- und Laubsauggeräte erlaubt sein, und zwar nur zwischen dem 1. Oktober und dem 31. Dezember oder anlässlich bewilligter Bauarbeiten. Zudem soll das Sicherheitsdepartement deren Verwendung ausnahmsweise bewilligen können, «wenn grössere Mengen an Laub oder Unrat innert kurzer Zeit zu entfernen sind oder wenn eine wesentliche Arbeitserleichterung bei schwierigen Reinigungssituationen erzielt werden kann». Dem stimmte auch die Mehrheit des Rats zu. Die FDP und die SVP hatten nur die Verwendung von nicht-elektrisch betriebenen Geräten zwischen dem 1. Januar und dem 30. September verbieten wollen, unterlagen damit aber ebenso wie die GLP, die sich für die Variante des Stadtrats ausgesprochen hatte.
Guter Entscheid oder «Verbotskultur»?
Das angekündigte Behördenreferendum von FDP, SVP und Mitte-/EVP wird zu einer Volksabstimmung darüber führen, ob nur noch elektrische Laubbläser und auch die nur noch in der Laubsaison zugelassen sein sollen. Man darf gespannt sein, womit argumentiert werden wird: Hauptsache, keine Verbote? Oder eher, elektrische Geräte sind leiser gleich Problem gelöst? In der Debatte von letzter Woche erklärte FDP-Gemeinderätin Martina Zürcher, elektrische Laubbläser seien heutzutage nicht mehr lauter als ein Haarföhn. In ihrem aktuellen Blog-Beitrag auf mehblau.ch sind aber auch Verbote ein Thema: «Was hat Rot-Grün als nächstes vor? Ein Verbot von Staubsaugern?» Die FDP habe in der Kommissionsberatung intensiv versucht, einen Kompromiss auszuhandeln, so dass wenigstens die leisen, elektrisch-betriebenen Laubbläser das ganze Jahr erlaubt wären, schreibt sie weiter: «Das ist freisinnige Politik: Sachorientierte Kompromisse, statt ideologischer Verbotskultur.»
Auf der Webseite des Bundesamts für Umwelt Bafu ist nachzulesen, «Laubbläser und -sauger: was Sie wissen müssen». Dort heisst es, Laubbläser erreichten «einen Schallleistungspegel LwA von bis zu 115 dB(A)!» Ein Schalldruckpegel Lp am Ohr von 100 dB(A) sei daher nicht unüblich und werde durch die Suva als gefährlich eingestuft: «Beim Kauf daher nebst tiefem Wert LwA bei der Lärmkennzeichung auf dem Gerät auch auf tiefen Wert des Schalldruckpegels LpA in der Bedienungsanleitung (entspricht Pegel am Ohr des Nutzers) achten.» Für Laubbläser gälten zwar keine konkreten Grenzwerte, aber das Vorsorgeprinzip: «Die Emissionen sind soweit zu begrenzen, als dies technisch und betrieblich möglich sowie wirtschaftlich tragbar ist.» Der Vollzug der Lärmvorschriften in diesem Bereich obliege den Gemeinden und Kantonen, sie könnten «Nutzungseinschränkungen für lärmige Geräte oder Tätigkeiten – z.B. zu gewissen Jahreszeiten» verfügen.
Im Laubbläser-Test des Online-Magazins chip.de vom 10. Dezember 2024 erhalten vier Modelle mit Akku die Gesamtnote «gut», bei ihren Lautstärken ergibt sich aber kein einheitliches Bild: Von «106,3 dB volle Stufe, 61,3 dB niedrigste Stufe» beim Testsieger über «119 dB volle Stufe, niedrigste Stufe 107,4 dB» und «117,4 dB volle Stufe, 82,7 dB niedrigste Stufe» bis «108 dB volle Stufe, niedrigste Stufe 77 dB» ist alles dabei. Zum Vergleich: Für Rasenmäher gilt gemäss Maschinenlärmverordnung beim Schallleistungspegel LwA ein Emissionsgrenzwert von 96 dB und ein Richtwert von 94 dB. Ein durchschnittlicher Haartrockner bringt es auf rund 90 dB, als «leise» gilt er bei unter 70 dB. «Deutlich leiser» als benzinbetriebene scheinen elektrische Laubbläser zumindest auf voller Stufe also nicht zu sein. Und wenn man mit der niedrigsten Stufe die Lego-Star-Wars-Sammlung entstauben kann, dürfte diese zum Laubblasen wohl eher selten zum Einsatz kommen… Auf der Webseite laubsauger.de, die «Vergleich & Kaufratgeber» bietet, ist nachzulesen, dass sich mit elektrischen Laubbläsern oft nicht dieselben Leistungen erreichen liessen wie mit benzinbetriebenen Modellen. Elektrische Geräte dürften also näher bei voller als bei niedrigster Stufe betrieben werden müssen, damit die Leistung stimmt. Ob sie dann aber immer noch «nicht lauter als ein Haarföhn» sind?