Was darf Kultur kosten?

Im Rahmen der Montagsreihe im «Kosmos» kam am Montagabend SVP-Regierungsrat und Finanzdirektor Ernst Stocker nach Zürich, um mit SRF-Moderatorin Monika Schärer über die zukünftige Finanzierung der Kulturförderung zu diskutieren. Anschliessend stellte er sich den Fragen des Publikums.

 

 

Leonie Staubli

 

 

Es ist eine weitere Veranstaltung der Reihe «Kosmopolitics», die das «Kosmos» seit seiner Eröffnung im September jeweils am Montag organisiert. Der Saal füllt sich rasch. Das Thema der Woche – «Das 1×1 der Kulturförderung» – zieht auch eine ganze Menge junge Menschen an, die wissen wollen, wie es mit den Kulturgeldern im Kanton Zürich weitergehen wird. Ab dem Jahr 2022 ist die Kulturförderfinanzierung nämlich nicht mehr gesichert, und ob die aktuelle Handhabung über den Lotteriefonds weitergeführt werden soll, steht zur Debatte. Um all dies zu besprechen, wurde Finanzdirektor Ernst Stocker eingeladen.

 

Radio-Moderatorin Monika Schärer versucht zunächst, dem Publikum Stocker als Person etwas näherzubringen. Der SVP-Regierungsrat, der in Wädenswil auf einem Bauernhof aufgewachsen ist, bezeichnet sich selber als nicht besonders kulturaffinen Menschen. Für Kino und Theater habe er zu wenig Zeit und Lesen möge er neben den Regierungsratsunterlagen meist nur Tageszeitungen und leichte Krimis. Sein Beruf gefällt ihm dafür umso besser: «Regierungsrat des Kantons Zürich zu sein ist einer der privilegiertesten Jobs», meint er, denn: «Man kommt mit unheimlich vielen verschiedenen Leuten zusammen.»

 

Nach dem viertelstündigen Vorstellungsgespräch geht Schärer über zu einigen Fragen. Die Antworten dazu bleiben häufig sehr allgemein und vage. So sagt Stocker zur Frage, wie er auf eine Anfrage nach finanzieller Unterstützung überhaupt reagiere, bloss: «Grundsätzlich ist man offen und schaut sich das an.» Was die Zahlen angeht, kann er genauere Angaben liefern. Der Lotteriefonds, aus dem Gelder an nicht gewinnorientierte oder gemeinnützige Organisationen gegeben werden, ist zurzeit prall gefüllt mit 300 Millionen Franken. Das Problem ist also nicht die Leere in der Kasse, sondern der Verteilkampf: Wer bekommt wieviel oder überhaupt etwas? Stocker spricht aber auch andere Themen an; so beschweren sich häufig die Organisationen in der Agglomeration darüber, dass alles Geld nach Zürich fliesst. Auch dafür habe er ein gewisses Verständnis, versichert er. Aber man müsse dem Geld etwas Sorge tragen und nicht alles gleich ausgeben, findet der Finanzdirektor. Ausserdem stehe die neue Steuervorlage vor der Tür, und das Geldspielgesetz könnte nochmals alles verändern.

 

Wenig Klarheit

Hinter all den Relativierungen ist es schwierig, einen klaren Grundtenor zu erkennen. Zum Vorschlag, dass man Gelder, die in anderen Bereichen (wie etwa dem Strassenbau) nicht gebraucht werden, künftig in den Kulturtopf legen könnte, bezieht er kaum Stellung, betont aber am Ende seiner Ausführungen: «Für kreative Ideen bin ich immer zu haben.» Er selber ist dafür, dass es nach 2022 mit dem Lotteriefonds weitergeht wie bis anhin. Auch ein ähnliches Modell, wie den von SP-Regierungsrätin Jacqueline Fehr vorgeschlagenen Kulturfonds könnte er sich vorstellen. Sicher ist in seinen Augen jedenfalls, dass die Beiträge an die Kultur nicht vollkommen entpolitisiert werden dürfen. Schliesslich muss man den Überblick behalten. Viel konkreter wird er auch dazu nicht, fasst das Ganze aber in einer hübschen Doppelung zusammen: «Als Vertreter der Regierung muss ich die Regierungsmeinung vertreten.»

 

An dieser Stelle wird die Diskussion für das Publikum geöffnet. Dieses hat viele Fragen, die es, wenn auch manchmal herausfordernd, doch immer sehr respektvoll stellt. Ein junger Herr betont zweimal, dass seine Bemerkung nicht als Angriff misszuverstehen sei, bevor er fragt, ob Finanzdirektor Stocker sich den Entscheidungen über Kulturförderung gewachsen fühle, obwohl er sich in seiner Freizeit nach eigenen Angaben kaum mit Kultur auseinandersetze.

 

Wenigstens das kann dieser mit einem klaren Ja beantworten; er fälle die Entscheidungen schliesslich nicht allein, sondern sitze bloss an der Spitze – viele Leute, die sich auskennen, haben auch mitzureden. Die Vermutung, das Kulturbild der Bürgerlichen sei veraltet, weist er mit dem Argument zurück, es ergebe keinen Sinn, diese Diskussion in ein links-rechts-Schema zu pressen. Auch auf die Frage, ob man Kürzungen bei der Kultur mit Zensur vergleichen könne, hat Stocker eine bestimmte Antwort: «Wer da von Zensur spricht, verkennt die Lage in diesem Land.»

 

Doch als die Sprache auf die Zürcher Hochschule der Künste kommt, und auf die über 2000 Studierenden, die dort ausgebildet werden, obwohl es an Geld fehlt, um ihnen später Löhne zu zahlen, windet sich der Finanzdirektor. Es wird erkennbar, dass er kein direktes Wort gegen die ZHdK richten möchte und er betont, dass Präsident Hollande bei seinem Staatsbesuch vom Toni-Areal sehr beeindruckt war – doch im Endeffekt findet er nicht, dass der Kanton hier mehr Unterstützung leisten muss. «Irgendwann müssen diese gut ausgebildeten Leute selber einen Weg finden», sagt er, und dass man wissen müsse, wo man anfängt und wo man aufhört. Weitere Anhaltspunkte gibt er zu dieser offenen Aussage nicht. Das Publikum lässt angesichts Stockers Vagheit nicht locker und kommt auch auf die Game-Industrie zu sprechen. Dort sieht Stocker keine Probleme, die Start-Up-Entwicklung im Raum Zürich sei gut entwickelt. Als eine junge Frau bemerkt, dass sie gern «etwas mehr Konzept» hätte und einen Vergleich zu Finnland zieht, wo Game-Unternehmen vom Staat stark unterstützt werden, schiebt er die Verantwortung wiederum zu den Kreativen selber, die ihre Sache in seinen Augen ja gut machen – er höre da jedenfalls nur positive Stimmen.

 

Kulturland

Es leuchtet ein, dass Stocker als Finanzdirektor schwierige Entscheidungen zu treffen hat. «Ich bin mir bewusst, dass ihr nicht auf Rosen gebettet seid», erklärt er, doch er müsse eben auch die Message senden, dass er mit all dem Geld vernünftig umgehe. Dennoch wirken seine Versuche, die Probleme der Bauern und Bäuerinnen mit denen der Künstler-Innen zu vergleichen, eher anbiedernd als verständnisvoll. Dass viele SchweizerInnen lieber Hühnchen aus Thailand als aus der Region kaufen, weil es so billiger kommt, ist eben doch nicht das Gleiche, wie die Frage, ob ein Theater vom Kanton oder den Steuern oder einer Einzelperson finanziert werden soll. Die Bereitschaft, den Kulturschaffenden zuzuhören, kann man ihm dennoch hoch anrechnen; und es ist zu hoffen, dass er über die Anregungen aus dem Publikum noch einmal nachdenkt.

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