Wahre Arroganz

Im März hatte das Stimmvolk entschieden, dass Zürich eine linke Regierung und ein linkes Parlament haben soll. Seither jammern die Wahlverlierer jedes Mal, wenn wir im Rat genau das machen, was Mehrheiten so tun, nämlich Mehrheitsentscheide fällen, wir seien arrogante Machtpolitiker. Soweit, so normal, aber ich finde, damit werde ich denn doch weit unter Wert beleidigt. Daher verrate ich hier exklusiv, was ich in dieser Stadt tun würde, wenn ich ein so richtig arroganter Machtarsch wäre.

 

Zunächst würde ich mir überlegen, wo denn diese mir ach so verhasste Stadt ihre Empfindlichkeiten hat und zugleich, wo die Mehrheiten nicht ganz so eindeutig sind, so dass ich nicht immer aufs Maul bekomme, wenn ich dagegen anrenne. Wie etwa im Wohnbau. Klar, es ist der Verkehr, und da alle wissen, dass seine fossile Variante aus dem letzten Loch pfeift, ist es also das Elektroauto. Und schon hab ich eine Idee: Wie wäre es, wenn ich ein Autorennen veranstalten würde – und zwar mitten in der Stadt, nicht etwa verschämt am Rand, wie das der Rest der Welt macht, oh nein: fett zmitzt! Dazu brauche ich zunächst mal eine Sonderbewilligung vom Bund, aber der ist ja zum Glück nicht links, und obschon es nicht den geringsten Grund gibt, das Autorennverbot in der Schweiz aufzuheben, lobbyiere ich solange, bis ich eine Ausnahme bekomme. (Herzig, dieser Bund, er merkt nicht mal, dass ich sicher nicht nur für ein Jahr plane.)

 

Sodann brauch ich Geld. Viel Geld. Und einen Chefsponsor, der zwar nicht zwingend etwas mit Autos oder Verkehr zu tun hat, Gott behüte, der aber ebenso wie ich bereit ist, penetrant zu sein und einen arroganten Auftritt nicht scheut: Sie raten richtig – eine Bank ist ideal. Auch wichtig: Ein internationaler Rennverband, der keinen Schimmer von lokalen Empfindsamkeiten hat und ebenfalls eingebildet genug ist, um anzunehmen, dass er überall auf der Welt willkommen sei. Da Zürich ja schon vertraut ist mit diesem mafiösen Verein namens FIFA, tut es also auch ein Buchstabe weniger: die FIA. Und fürs Lokalkolorit schiebe ich einen Gemeinderat als Strohmann vor.

 

Fette Kohle regiert sodann den Rest: Ich kauf mir die Stadt. Scheiss darauf, ob es sich um die Betreiberin des Hafenkiosks geht, die während Tagen einen Verdienstausfall hat, oder um die Stadtverwaltung, die massiven Zusatzaufwand hat: Ich bezahl denen das einfach! Ich kauf mir Sonderrechte, wie zum Beispiel die Bewilligung für ein mehrstöckiges leicht entflammbares Holzhaus über (!) dem Mythenquai, ich kauf mir die Zustimmung des Stadtrats und ich kauf mir am Schluss noch die Medien, am besten grad den Umschlag der NZZ. Und weil meine Marketingfritzen schüchtern eingewendet hatten, das könne eventuell etwas grosskotzig aussehen, kauf ich mir halt auch noch einen Haufen Plakatwände und kleb darauf hirnrissige Bildli zur Mobilität der Zukunft, mit herzigen Robotern, viel Grün und ganz, ganz wenig Verkehr, quasi heile Welt. Apropos: den Pöbel halt ich mir etwas vom Leib, weil die guten Plätze brauch ich selber für meine Klientel, dafür speise ich das Volk mit Würstli, Hüpfburgen und Autosimulatoren und die etwas Vergeistigteren unter ihnen mit einer ETH-Tagung ab. Pfeif drauf, dass all das Null Zusammenhang mit einem Formel-E-Rennen hat, merkt ja keiner.

 

Ja, verehrtes Publikum, wir hier in der politischen Mehrheit sind richtige Bräzelibuben und -mädchen dagegen. Wahre Arroganz tritt anders auf. Das nehmen wir demütig zur Kenntnis. Aber mehr davon? – Nö, ich denke, es reicht wieder für ein paar Jahrzehnte.

 

Markus Kunz

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