Vorsorgekrise

Am 24. September dürfen wir über unsere Altersvorsorge abstimmen – aber ich weiss so gar nicht, was in dieser Frage richtig und falsch ist. Herrn Berset schätze ich sehr und möchte ihm keinesfalls in den Rücken fallen. Anderseits finde ich nichts in der Vorlage, das mit meinen Vorstellungen zur Altersvorsorge kompatibel wäre.

 

Da ist einerseits die Erhöhung des Rentenalters für die Frauen – wie schräg ist das denn? In einem Arbeitsmarkt, der immer noch die Männer bevorzugt und die traditionell weiblichen Domänen von der Altersvorsorge praktisch ausschliesst, kann dies gewiss nicht als Beitrag zur Geschlechtergerechtigkeit gewertet werden. Hier sehe ich bloss ein Zugeständnis an die alte bürgerliche Forderung nach einer generellen Erhöhung des Rentenalters. Diese aber zeugt vom Unvermögen der Bürgerlichen, in Zusammenhängen zu denken. Wann immer sie ein Sozialwerk sanieren wollen, lagern sie die Kosten einfach auf andere Kostenträger um, in diesem Fall auf die Arbeitslosenversicherung und die Fürsorge. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich habe überhaupt kein Problem mit dem Gedanken, länger zu arbeiten. Wenn man mich denn lässt! Aber in einem Arbeitsmarkt, in dem man schon ab 50 kaum mehr Chancen auf eine Anstellung hat, ist allein der Gedanke an eine Erhöhung des Rentenalters purer Zynismus. Oder haben Sie je einen Bürgerlichen gehört, der seinen Parteikollegen in der Wirtschaft nahelegte, die Alten denn auch tatsächlich zu beschäftigen?

 

Anderseits ist die Zweite Säule eine Fehlkonstruktion mit zwei gravierenden Folgen: Erstens macht sie die Beschäftigung der älteren Arbeitnehmenden teurer. Dies erhöht das Risiko der Generation über 50, arbeitslos zu werden. Zweitens müssen die Pensionskassen ihre Einlagen gewinnbringend anlegen. Die dazu nötigen Renditen kann man vor allem mit Immobilien erwirtschaften: So werden gigantische Beträge in den sowieso schon überhitzten Immobilienmarkt gepumpt, was die Liegenschaftenpreise und damit die Mietzinsen in die Höhe treibt. So sorgt das Rentensystem selbst dafür, dass wir einen relevanten Teil der Rente dann gleich wieder für überhöhte Mietzinsen abdrücken müssen. Durch die Abhängigkeit von den Finanzmärkten ist die Zweite Säule unsicher, ausserdem ist sie teuer, da die Verwaltung der Gelder Kosten verursacht, und zu guter Letzt sind die Pensionskassen in der Regel gewinnorientierte Unternehmen – wie kann es sein, dass ich mit einer staatlich verordneten Versicherung die Dividenden von Aktionären alimentieren muss?

 

Eine sinnvolle Sanierung der Altersvorsorge müsste in Zusammenhängen gedacht sein, etwa so: 1. Die Zweite Säule wird abgeschafft und vollständig in die AHV integriert. Die bestehenden Pensionskassengelder ergeben für die neue AHV eine hübsche Reserve, die die Renten auf längere Zeit vor demografischen Unwägbarkeiten schützt. 2. Eine Erhöhung des Rentenalters wird branchenspezifisch an die Bedingung geknüpft, dass die Wirtschaft die Menschen auch tatsächlich beschäftigt – dass z.B. der Anteil der Beschäftigten über 60 in einer Branche dem Anteil der über 60-Jährigen an der Bevölkerung ungefähr entspricht. 3. Eine allfällige Unterdeckung der AHV wird über einen erhöhten Arbeitgeberbeitrag kompensiert – so hat die Wirtschaft im Krisenfall ein Interesse, die Bedingung aus Punkt 2 zu erfüllen, damit das Rentenalter erhöht werden kann.

 

Hm… und nun, wie soll ich stimmen am 24.? Egal, denn wenn Herr Berset das P.S. liest, kommts ja dann bei der nächsten Reform für 2030 sicher gut!

 

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