Vor der Fusion wird das Tafelsilber gezählt

Im Bezirk Horgen grassiert das Fusionsfieber. Kleine Gemeinden wollen mit grossen Gemeinden fusionieren, hoffen auf tiefere Steuern. Auch bei den grossen Gemeinden Wädenswil und Horgen steht der Steuerfuss im Mittelpunkt: Dieser soll nicht steigen. Für Einzelpersonen könnte es in den Berggemeinden trotzdem Überraschungen geben.

 

Hermann Koch

 

Unter dem Titel «Im Fusions-Flirt wird es ernst» berichtete P.S. am 6.11.2015 über die geplanten Gemeindefusionen im Bezirk Horgen. Horgen und Hirzel standen im Fokus. Inzwischen fand auch in Wädenswil eine erste Informationsveranstaltung über eine Fusion der Gemeinden Hütten und Schönenberg mit der Stadt Wädenswil statt. Dabei wurde eine Modellrechnung für die neue ‹Grossstadt› Wädenswil, basierend auf den Jahresrechnungen 2014 der drei heutigen Gemeinden, erstellt.

Fazit wie in Horgen: Ein zusätzlicher Ausgabenüberschuss von 644 400 Franken, was für Wädenswil eine Steuerfusserhöhung bedeuten würde. Das liegt nicht im Interesse der bürgerlichen Steuerfuss-Fetischisten. Ihr Ziel ist, den bisherigen Steuerfuss in Wädenswil zu halten, noch besser, ihn zu senken. In gemeinsamen behördlichen Arbeitsgruppen, verstärkt durch die Verwaltung und begleitet durch ein Beratungsbüro – ohne dies geht es, trotz Hilfe vom Kanton, anscheinend nicht – wird nun nach möglichen Synergien gesucht, so dass nach der Fusion Wädenswil – dann flächenmässig die drittgrösste Gemeinde im Kanton – keine Mehrausgaben entstehen sollten. Kostenneutralität ist das Ziel.

 

Tieferer Steuerfuss, dafür höhere Krankenkassenprämien…

Für die Bevölkerung der Berggemeinden würde dies künftig tiefere Gemeindesteuern bedeuten. Doch für tiefe Einkommen könnte sich dies als Bumerang erweisen. Die beiden Gemeinden Horgen und Wädenswil sind in der Krankenkassenprämienregion 2 eingeteilt, die drei Berggemeinden in der Region 3. Ausschlaggebend für die Einteilung in die Prämienregion sind die Kosten in der obligatorischen Krankenversicherung. Bei einer erwachsenen Person beträgt der Prämienunterschied im Durchschnitt 348 Franken, bei Kindern 84 Franken pro Jahr. Für eine vierköpfige Familie sind das 900 Franken mehr Prämien pro Jahr.

Bisher erfolgte die Zuteilung zur Prämienregion durch das Bundesamt für Gesundheit (BAG). In der Vergangenheit gab es vereinzelt Gemeindefusionen; dabei hat das BAG gemäss seiner Pressesprecherin Michaele Kozelka «bei der Zuordnung bezüglich Prämienregion hauptsächlich die Bevölkerungszahl berücksichtigt» . Seit dem 1. Januar 2016 ist es neu der Kanton, der dem Eidgenössischen Departement des Innern einen Vorschlag macht, in welche Prämienregion die neue Gemeinde eingeteilt werden soll. Die Medienstelle des Kantons konnte keine Informationen abgeben, wie die Direktion in diesem Falle entscheiden wird. Es wäre der erste Fall mit der neuen Regelung. Klar ist, dass die Gesundheitskosten in den beiden erweiterten Gemeinden Horgen und Wädenswil durch die Fusion nicht stark sinken werden, sodass in den Berggemeinden die höheren Krankenkassenprämien zu bezahlen wären. Aktuell gibt es keine Gemeinde, die zwei Prämienregionen aufweist. Bisherige Gemeindefusionen fanden innerhalb von gleichen Prämienregionen statt. Keine Änderung wird es beim ZVV-Tarif geben. Die drei Berggemeinden sind in einer andern Tarifzone als die Seegemeinden. Die heutigen Tarifzonen bleiben gemäss ZVV-Mediensprecher Caspar Frey bestehen. Immerhin würde für die Fahrt von der Berggemeinde auf die jeweilig neue Gemeindeverwaltung der Lokaltarif zur Anwendung kommen, es müsste also nicht wie heute für eine weitere Zone bezahlt werden. Über das neue Lokalnetz hinaus bliebe jedoch alles beim bisherigen System.

 

…und obendrein auch noch
höhere Mieten?

In linken Kreisen wird befürchtet, dass in den Berggemeinden durch den tieferen Steuerfuss die Baulandpreise – die Baulandreserven sind klein – und damit auch die Mietzinse steigen werden. Da wären dann 30 Franken mehr an Hundesteuer pro Jahr nur noch ein Klacks dagegen.

Ob die Fusion für Wädenswil zum Null-tarif zu haben ist, wird bis im Sommer 2016 klar sein. Mit welchen Kosten Einzelpersonen rechnen müssen, wird sich wohl erst kurz vor der geplanten Abstimmung über die Fusion im Frühjahr 2017 zeigen.

Stimmen alle drei Gemeinden zu, würde die Fusion am 1.1.2018 in Kraft treten. SP und GP dürften wohl zustimmen, auch wenn sie wähleranteilmässig nur verlieren können. Ob die bürgerlichen Parteien von Wädenswil sich voll für eine Fusion stark machen werden, ist unklar. Hier dürfte das Portemonnaie vor der Solidarität mit den finanziell bedrängten Berggemeinden Vorrang haben.

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