Von Kindern und Kanonen

«Dem Bund die Kanonen, die Bildung den Kantonen», heisst es. Wobei «Bildung» beliebig mit etwas anderem ersetzt werden kann, dem man ablehnend gegenübersteht. Das Subsidiaritätsprinzip ist längst zur ideologischen Waffe jener geworden, die für bestimmte Aufgaben kein Geld ausgeben wollen. Wie beispielsweise die auswärtige Kinderbetreuung. Nach diesem Muster empörte sich denn auch Katharina Fontana in ihrem Kommentar in der NZZ über den Kredit von 96,8 Millionen für die externe Kinderbetreuung, für den sich der Nationalrat ausgesprochen hatte (darunter, Skandal, auch einige Freisinnige).

 

Ich war ja wild entschlossen, mich über diesen Entscheid zu freuen, einen Entscheid, der es ermöglichen soll, während 5 Jahren die Preise für Krippenplätze zu senken und zudem Angebote besser auf die Bedürfnisse der Eltern abzustimmen. Es wollte nicht sein. Ich las diesen Kommentar und es blieb nichts als Ärger. Es sei keine Aufgabe des Bundes, Kindertagesstätten dauerhaft mitzufinanzieren, steht dort und schon gar nicht sollte er diese externe Kinderbetreuung auch noch als familienpolitisches Modell fördern. Doch. Ist es und sollte er. Aber der Reihe nach.
Die Bundesebene will den Fachkräftemangel inländisch beheben und hat dies nach der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative als Gebot der Stunde propagiert. Das geht nur, wenn Frau und Mann ohne unnötige Hürden am Arbeitsmarkt teilnehmen können. Man stellt eine Forderung auf, man ergreift die nötigen Massnahmen. Das ist eine vielleicht unangenehme, aber relativ einfache Rechnung, die unter dem Strich 96 Millionen kosten kann. Und die hohen Kosten für die externe Kinderbetreuung sind eine solche Hürde, die gerade auch Familien mit mittleren Einkommen daran hindert, zu arbeiten (was dann wiederum hauptsächlich die Frauen und ihre Teilzeitstellen betrifft).
 

Aber das Kostenargument zählt nicht, so Fontana, denn wer sich für Kinder entscheide, könne nicht verlangen, dass sein Lebensmodell von der Allgemeinheit finanziert werde. Womit wir nun bei der Sache mit der Familie wären, die noch viel ärgerlicher ist als die mit den Kanonen und Kantonen. Denn dem Kommentar von Frau Fontana stand ein zweifelhaftes Familienbild Modell. «Nicht jedes Kind wird glücklich sein, wenn es den ganzen Tag in der Krippe oder im Hort verbringen muss – und eventuell sogar nachts und in den Ferien dort abgegeben wird». Mich beschlich der Verdacht, dass sie keine einzige Familie kennt oder dann nur ausgesprochen wohlhabende Varianten davon. Es gibt Alleinerziehende, Schichtarbeitende, belastete Familien – Eltern also, die von einem Ausbau des Angebots für die Nacht wesentlich profitieren würden. Dann gibt es 13 Wochen Schulferien und Arbeitszeiten, die mit den Öffnungszeiten der Krippe kollidieren. Und es gibt Familien, in denen Frau und Mann arbeiten, weil sie das können, wollen und sollen und die deshalb externe Familienbetreuung beanspruchen. Das ist kein Familienmodell, das propagiert, sondern eines, das gelebt wird.
 

Es ist schon richtig, dass Kinder nicht immer glücklich sind im Hort oder in der Krippe. Aber das ist kein Argument. Denn Kinder sind manchmal auch unglücklich in der Schule oder in der Lehre oder dann, wenn sie kein Glacé bekommen oder das Star-Wars-Lichtschwert für 120 Franken. Sollte Frau Fontana also wieder einmal nichts Besseres einfallen, als das Subsidiaritätsprinzip oder Kinder für ihr überholtes Familienbild instrumentalisieren zu wollen: lassen Sie es doch einfach sein?

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