Von Äckern und Strassen

In den letzten Monaten habe ich ja viel Zeit für die Wohnungssuche aufgewendet und durfte dabei auch zweimal Wohnungen in der Saumackerstrasse besichtigen. Leider hat es dort nicht geklappt, denn, so sagte ich mir, es gäbe wohl die eine oder andere Bekannte aus meiner Vergangenheit, die es sehr passend fände, mich bei den Saumackern versorgt zu sehen.

 

Dieses amüsante Wortspiel hatte ich mir seither aufgehoben, um es bei Gelegenheit in einem ‹sozialen› Medium zu verwerten; sowas gibt ja sicher viele Likes, vielleicht ausnahmsweise gar einmal über zwanzig! Nun, wie es so geht, wenn man Dinge aufschiebt: Wenig später postete ein Kumpel ein Foto des Saumacker-Strassenschildes mit einem träfen Kommentar auf Facebook. Vorbei meine Chance auf zwanzig Likes, diese hat sich der Kumpel verdient, plus den einundzwanzigsten von mir.

 

Die zwanzig Likes habe ich dann doch noch geknackt mit einem Korb voll frischer Wiesen-Champignons – Pilze ziehen immer im Facebook! Ein Acker in Samstagern hatte sie mir beschert – gerade noch rechtzeitig vor Beginn der Schonzeit. Die Schonzeit übrigens verbindet die beiden Themen dieser Kolumne, Sprache und Pilze, exemplarisch miteinander: Denn sie ist ein Beispiel für Sinn und Zweck sowohl der Gross- und Klein- wie auch der Getrennt- und Zusammenschreibung. Schreibe ich, wie es heute oft zu sehen ist, alles klein und auseinander: «es ist schon zeit», dann bleibt unklar, ob ich meine, der Zeitpunkt sei jetzt gekommen, oder es sei eben Schonzeit. Das sollten sich Teenager und Marketingleute mal hinter die Ohren schreiben! Die Schonzeit ist aber auch ein Politikum: Es gibt keine wissenschaftliche Evidenz, dass sie den Pilzen tatsächlich etwas nützt. Trotzdem tun sich Kantons- und Regierungsrat in Zürich schwer damit, sie abzuschaffen. Böse Zungen behaupten, dies liege daran, dass in den entscheidenden Gremien Jäger sitzen, und diese fänden das Pilzesammeln abseits der Wege sowieso das Hinterletzte. Wie auch immer, die Schonzeit nützt vor allem denen, die sie missachten, denn die können dann konkurrenzfrei die schönsten Exemplare abgarnieren. Die Polizei hat ja auch tatsächlich Wichtigeres zu tun, als im Wald PilzfrevlerInnen aufzulauern.

 

Zurück zu den Wiesen-Champignons: Von diesem schönen Pilz hatte ich in den bisherigen fünf Jahren meiner Pilzkontrolleurstätigkeit insgesamt maximal sieben Stück zu Gesicht bekommen. In den letzten zwei Wochen dagegen wurden sie korb- und sackweise in die Kontrolle gebracht, dafür noch kein einziges Eierschwämmchen. Dies zeigt, wie sensibel Pilze auf das Wetter reagieren: Anscheinend hat die lange Heiss- und Trockenphase den Champignons gepasst, den Eierschwämmen dagegen weniger. Ob sich daran schon der Klimawandel manifestiert oder aber eine normale Wetterschwankung, will ich nicht beurteilen. Wenn ich wählen könnte – normales Wetter und Eierschwämme, oder heissen Sommer und Champignons – ich könnte mich nicht entscheiden. Eierschwämme finde ich zwar schmackhafter als Champignons, aber sie machen beim Putzen auch viel mehr Arbeit.

 

So, genug schwadroniert. Nur nochmal schnell zurück zu den Ackerstrassen (um es mit Klapproth zu sagen: «Zum Schluss noch dies», oder mit Otto: «Einen hab ich noch»): In Örlikon hat man ja den Baumackern eine Strasse gewidmet, und ganz in der Nähe findet sich auch die Funkackerstrasse.

 

Markus Ernst Müller

 

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