Viel Lärm um wenig

«Was gross als Leistungsüberprüfung 2016 angekündigt wurde, entpuppt sich als eine Zahlenschieberei. Statt echter Massnahmen wird einfach Luft aus den Budgets gelassen.» Mit diesen Sätzen kommentierten die Grünliberalen die Leistungsprüfung 2016 des Regierungsrats am treffendsten. Ich bin mit ihrer sturen Finanzpolitik, die fast nur die Ausgabenplafonierung kennt, alles andere als einverstanden. Und ich bin mir durchaus bewusst, dass ein paar der am Mittwoch vorgestellten Massnahmen einigen weh tun können – etwa den Behinderten, die in ihren Heimen noch mehr zusammenrücken müssen, oder jenen, die keine Krankenkassenprämienverbilligungen mehr erhalten.

Es ist mir auch bewusst, dass ich jetzt, wie die Grünen, laut und deutlich sagen und
schreiben müsste, dass sich der Kanton Zürich in die falsche Richtung entwickelt – dass er sich etwa in der Bildungspolitik in erster Linie fragt, wie kann ich es etwas billiger machen, und nicht, wie kann ich die Chancengleichheit erhöhen.

«Viel Lärm um wenig» mag ein verharmlosender Titel sein. Er drückt aber sehr gut aus, dass an diesem Mittwoch in der Politik des Kantons Zürich keine Wende stattfand. Was der Regierungsrat vorschlägt, schlägt fast jede Regierung (teilweise mit anderen Akzenten) vor, wenn sie findet, dass der Staatshaushalt aus dem Gleichgewicht sei und man etwas sparen möchte oder muss und gleichzeitig findet, eigentlich laufe es gut und alles, was man mache, mache man zumindest nicht schlecht und habe seinen guten Grund.

Der Kanton Zürich ist seit langem ein wohlhabender, sehr bürgerlicher Kanton, dessen MehrheitspolitikerInnen und Wirtschaft sehr ungern Steuern zahlen. Da der Kanton lange recht viel einnahm, konnte er seine zunehmenden Aufgaben zumindest so gut wahrnehmen, dass es recht vielen gut ging und denen am Rande zumindest nicht katastrophal. Die Neigung zur Steuersenkung (auch aus Konkurrenzgründen) nahm seit 2000 ebenso wie die nötige Infrastruktur und die Bevölkerung zu. Trotz guter Konjunktur verschwanden die guten Rechnungsabschlüsse, wozu die eigene Pensionskasse ihren Teil beitrug. In dieser Situation sollte entweder mehr eingenommen (was die Mehrheit strikte nicht will) oder zumindest jeder Rappen dreimal umgedreht werden, bevor er ausgegeben wird. Das Problem dabei: Fast jede Ausgabe hat Gegner, hatte aber einmal eine Mehrheit, und ihre Streichung ist mit einigem Aufwand und mitunter wenig Erfolg versehen – ich erinnere hier gerne an die Husi oder an die grösseren Klassen des letzten Sparprogramms.

Der Kanton hat ein halbwegs echtes Finanzproblem, und er schuf sich mit dem mittelfristigen Finanzausgleich eine künstliche Aufregung dazu. Das Bestellte lässt sich mit den zugebilligten Finanzen höchstens noch knapp bezahlen. Da eine Erhöhung des Steuerfusses politisch nicht in Frage kommt, wird der alljährliche Budgetprozess für die Beteiligten zu einer ernsthaften Herausforderung. Als vernünftige RegierungsrätInnen beziehen sie die kommenden Jahre, respektive die zu erwartenden Aufgaben, in ihre Planung ein. Leider kam irgendwer auf den Gedanken, die Prognosen für die Zukunft den Fakten der Vergangenheit und Gegenwart gleichzusetzen und fand dafür eine Mehrheit unter den Stimmberechtigten. Da in den Prognosen recht viel Wünschenswertes enthalten ist und die Prognosen vor allem den alljährlichen Budgetprozess noch vor sich haben, warten die kommenden vier Jahre meist mit einem errechneten Defizit aus. Das aber mit dem mittelfristigen Finanzausgleich als Realität gilt und damit bekämpft werden muss.

Dieser Vorgang hat auch seine bequeme Seite: Man kann so sehr allgemein das Sparen begründen, es von der Regierung erwarten, ohne dass man sagen muss, wo es geschehen soll. Die BefürworterInnen des so berechneten mittelfristigen Finanzausgleichs rechnen sich aus, dass sie Sparmassnahmen durchbringen, die isoliert kaum eine Chance hätten. Dafür sind die Krankenkassenprämienverbilligungen ein Paradebeispiel: Sie entsprechen schon lange nur noch bedingt dem ursprünglichen Zweck, die Kosten der Krankenkassenprämien auch für den unteren Mittelstand abzufedern. Die Gemeinden erhalten für ihre SozialhilfeempfängerInnen so viel aus dem Topf (ich will das Winterthur oder Dietikon um Himmels willen nicht wegnehmen), dass es für die Oberen der Unteren nur noch für wenig reicht. Auf das man vielleicht verzichten könnte. Es gäbe durchaus Sinn, die Struktur der Krankenkassenprämien zu überprüfen, aber mit dem Druck eines Sparpakets geht es besser. Bildungsdirektorin Silvia Steiner beseitigt mit ihrem Sparbeitrag durchaus Ungerechtigkeiten. Warum ein Mathematiklehrer 23 und ein Deutschlehrer 22 Stunden für ein volles Pensum unterrichten soll, ist schwer einsehbar. Ohne Sparprogramm wäre eine Reduktion des Mathematikpensums allerdings auch eine Lösung gewesen.

Die Grünliberalen erwarteten vom Regierungsrat echte Sparvorschläge, einen Verzicht auf Leistungen – die man mit Mehrheiten verabschiedet oder dann zusätzlich finanziert. Der Regierungsrat hat dieser Versuchung widerstanden. Er liess die Abrissbirne in der Lagerhalle. Er veranstaltet keinen Stellenabbau im Grossen, das Personal erhält allerdings nur 0,4 Prozent der Lohnsumme pro Jahr mehr. So wie es den einzelnen Direktionen passt, was kaum ganz unten ankommt. Aber das ist nur offizialisiert, was faktisch schon Realität ist.

In erster Linie machte der Regierungsrat das, was die SP am letzten Freitag auch vorschlug und ihr teils bürgerlichen Spott eintrug: Er analysierte das Budget, respektive die Prognosen, und fand noch Luft. Nicht nur rechnet er mit mehr Steuereinnahmen, sondern in der Gesundheitsdirektion als Paradebeispiel mit einem deutlich verlangsamten Anstieg der Ausgaben. Thomas Heiniger half mit, dass Spitäler und Krankenkassen Tarife abschlossen, die bis 2018 gleich bleiben. Das erinnert stark an die politischen Tarife, die der Bundesrat jahrelang mit den Krankenkassen ausjasste. Da der Finanzplan mit stärker steigenden Tarifen rechnete, kann er nun um 130 Millionen Franken nach unten korrigiert werden.

Die Leistungsüberprüfung 2016 ist zum Glück keine Wende im Kanton Zürich, und der Regierungsrat hat mit seinem Vorschlag klar signalisiert, dass er Grenzen des Abbaus sieht. Die Bildung kommt – auch wenn ihre Vertreter es anders sehen – recht ungeschoren davon, und von einem wirklichen Sozialabbau kann nicht die Rede sein. Es ist ein Sparpaket eines bürgerlichen Regierungsrats, der Steuererhöhungen nur bei den Pendelabzügen denkbar findet. Ich würde eigentlich ganz gerne wissen, warum 90 Millionen Franken aus einer Steuergesetzänderung passen, während eine Steuerfusserhöhung nur schon eines Punktes des Teufels ist. Die eigentliche Gefahr des Sparpakets liegt in der Behandlung durch den Kantonsrat: Er könnte es so verschärfen, dass wirklich relevante Leistungen abgebaut werden. Im Rat wirken AbbauerInnen, und die Kantonsratsmehrheit kann sich wie eine Bande Jugendlicher benehmen, der jenem oder jener mit dem grössten Maul und der krassesten Idee nachrennt.

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