Stotterndes Rädchen

In Modellrechnungen ist die Just-in-time-Produktion ein Segen. Primär ermöglicht durch den Fortschritt der Digitalisierung, die auch dem Konsumismus die gesamte Warenwelt eröffnet. Beide aber kranken an derselben Fehlerquelle, die sich jeder theoretischen Effizienzsteigerung so konsequent unberechenbar entgegenstellt: Der Mensch. Ken Loach (Regie) und Paul Laverty (Drehbuch) widmen sich in «Sorry we missed you» der Verheissung, «Meister des eigenen Schicksals» werden zu können, sich vermeintlich selbstständig als Teil dieser Produktions- und Lieferkette in ein formidabel geschmiertes Räderwerk einzugliedern und mit scheinbar grosser Mühelosigkeit zu erreichen, wovon üblicherweise zu träumen schon vermessen ist: Sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen. Für den Familienvater Ricky (Kris Hitchen) ist der mit eigener Hände Arbeit zu erschaffende soziale und wirtschaftliche Aufstieg kein Widerspruch in sich und er denkt gar perspektivisch. Jetzt ein bisschen untendurch und dafür später mit einem gesicherten Eigenheim für die ganze Familie als tragfähiges Fundament belohnt werden und damit ein Bollwerk gegen die stürmische, unsichere Zukunft geschaffen zu haben. Für die Anzahlung des Transporters, der als eigenverantwortlicher Paketzulieferer notwendig ist, kann der Wagen von Abby (Debbie Honeywood) verkauft werden. Sie kann ihre privat zu pflegenden Personen zur Not – und dezidiert nur vorübergehend – auch mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen. Die Vorzeichen stehen gut, sich als gut geschmiertes Rädchen in eine Maschinerie einzugliedern und damit der Familie und den Kindern eine prosperierende Zukunft zu bereiten.

 

«Sorry we missed you» fokussiert auf die privaten Konsequenzen dieser letztlich einer Verdingung gleichkommenden Bereitschaft, alles dafür zu geben. Dass jetzt Ricky und Abby nur noch arbeiten, ihnen die Erziehungsgewalt entgleitet, die Paargemeinschaft bröckelt und die Gesundheit zu leiden beginnt, wären als Störungen je für sich allein tragbar. Nur, sie tauchen geballt auf und verkehren den Traum in sein Gegenteil. froh.

 

«Sorry we missed you» Kinos Arthouse LeParis, Houdini.

Dieser Artikel, die Honorare und Löhne unserer MitarbeiterInnen, unsere IT-Infrastruktur, Recherchen und andere Investitionen kosten viel Geld. Unterstützen Sie die Arbeit des P.S mit einem Abo oder einer Spende – bequem via Twint oder Kreditkarte.