Schinkengipfeli

Ob das die Bree van de Kamp in mir sei, fragte mich mein Mann. Ja, sagte ich, das ist sie, inklusive Chardonnay, und fand mich total lustig.
Ich hatte auch wirklich gerade einen tollen Lauf, wie ich da in der Küche die Schinkengipfeli mit Eigelb bestrich, Schinkengipfeli, die ich am Morgen noch vor der Arbeit vorbereitet hatte, um sie dann am Abend, kurz vor der Theateraufführung meines Sohnes im Totalstress noch schnell zu backen, weil Schinkengipfeli nur dann perfekt sind, wenn sie noch ein wenig warm sind und goldgelb glänzen. Lustig fand ich mich und auch ein bisschen Superwoman.

 

Im Grunde war das natürlich vollkommen idiotisch und unnötig. Ein perfektionistischer Wahn, der mich da überfallen hatte. Als es nämlich darum ging, für diesen Theaterabend anzukreuzen, was man als Eltern für den Apéro mitbringt, hätte man auch Chips oder Mineralwasser wählen können. Ich nahm das einzige Umständliche und Aufwändige auf der Liste. Ich tat das, weil ich als berufstätige Mutter manchmal das Bedürfnis habe zu beweisen, dass ich alles kann. Dass ich es im Fall sogar besser kann.

 
Bree van de Kamp ist eine der Protagonistinnen aus der Serie ‹Desperate Housewives›, bemüht, die perfekte Hausfrau und Mutter zu sein, Chardonnay trinkend und scheiternd während 180 Episoden in acht Staffeln. Und Bree van de Kamp, nun, das bin eben zuweilen auch ich. Und mit mir, ich weiss es aus sicheren Quellen, unzählige Frauen, Mütter und nicht Mütter, in ihrem perfektionistischen Anspruch an sich selbst.

 
Und es macht mich ratlos. Denn ich habe eigentlich keinen Ehrgeiz, eine perfekte Hausfrau und Mutter zu sein. Es liegt mir wirklich fern. Ich habe noch nicht einmal Menschen in meinem Umfeld, die das annähernd von mir erwarten würden. Und trotzdem mussten es umsverrecken Schinkengipfeli sein.

 
Es mag sein, dass es die Erziehung ist mit falschen, tief verankerten Rollenvorbildern. Meine Mutter hat mir vorgelebt, dass man als Frau auch arbeiten kann, weil man will und nicht nur, weil man muss. Gleichzeitig hat sie im Alleingang die ganze Hausarbeit erledigt. Wie sozusagen alle arbeitenden Frauen ihrer Generation. Und nun ist da meine Generation, die sich alles teilt: das Erwerbsleben, die Hausarbeit, die Kindererziehung. Und trotzdem kenne ich fast ausschliesslich Frauen in meinem Alter, die alles doch alleine und vor allem perfekt machen wollen und dabei ständig das Gefühl haben, nicht zu genügen. Männer nicht. Es ist nicht so, dass das einfach ein lustiger Unterschied zwischen den Geschlechtern ist. Weil, es ist nicht lustig.

 
Wenn ich allerdings junge Frauen, junge Menschen in meinem Umfeld beobachte, dann habe ich so etwas wie Hoffnung. Sie wollen explizit nicht perfekt sein. Sie wollen nicht alles machen, sondern nur das, was sie wollen und wie sie es wollen. Sie sind laut, sie sind wild und sie sind wütend. Sie ziehen sich aus oder auch nicht, sie prangern an, sie hinterfragen. Sie haben sich ganz offensichtlich dieser neoliberalen Logik, die Leistung und Perfektion über alles stellt, entzogen. Mit diesen Frauen, irgendwie, wäre ich gerne noch einmal jung. Aber das geht nicht.

 
Als ich an diesem Abend draussen vor dem Kindergarten neben dem Apérotischli mit meinen perfekten Schinkengipfeli stand, nahm ich mir vor, es anders zu machen. Und ich nahm ein Glas vom Wein und dachte: Weniger Bree van de Kamp, mehr Chardonnay. Das wiederum fand ich dann sehr lustig.

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