Rosarote Elefanten

Ein tolles Heft hat der VPOD mit der «Bildungspolitik» Nr. 211 vom Mai 2019 vorgelegt: Lauter Beiträge zur Geschlechtergerechtigkeit und zum Frauenstreik – grossartig! Leider trüben ausgerech­net zwei Beiträge von Männern das Bild. Schade…
Zum Thema der schlechten schulischen Leistungen der Knaben wärmt Daniel Weibel kalten Kaffee auf: Zu viele weibliche Rollenvorbilder hinderten Knaben daran, ihr Potenzial zu entfalten. Die weiblichen Bezugspersonen in Überzahl machten sie dumm; die Lehrerinnen belegten sie mit einer «selbsterfüllenden Prophezeiung», die sie erst zu schwierigen Schülern mache, und von daher stammten ihre schlechten Schulnoten. Auch das viele Stillsitzen entspreche den Knaben nicht; sie würden lieber laut sein, sich bewegen, messen und prügeln.

 

Das klingt etwa so plausibel, wie wenn ein Kellner mürrisch wäre, sich hinterm Tresen versteckte, den Gästen ins Essen spuckte und den Kaffee auf die Hosen kippte, um das ausbleibende Trinkgeld dann mit diskriminierender Kundschaft zu erklären. Ganz zu schweigen von all den Steinen, die man Mädchen und Frauen über Jahrhunderte in den Weg legte: die Einschränkungen bei der Studien- und Berufswahl, die Herabwürdigungen, die negativen Zuschreibungen, ganz besonders punkto Intelligenz: Galt früher der «physiologische Schwachsinn» des Weibes als Fakt, so werden weibliche Schularbeiten auch heute noch durchwegs schlechter bewertet.
Das ergibt eine geballte Ladung «selbsterfüllender Prophezeiung» ans weibliche Geschlecht. Unsere Emanzipation, unser sozialer Aufstieg zu (hoffentlich bald einmal) ebenbürtigen Berufsleuten und zu (huch!) besseren Schülerinnen haben wir trotzdem eigenhändig bewerkstelligt. Erhellend an Weibels Text ist einzig dies: Zu seiner Schulzeit wurde offenbar die Sekundarschulquote der Mädchen nach unten frisiert, indem sie beim Übertritt einen fünf Prozent höheren Durchschnitt erzielen mussten…

 

Eine einleuchtende Erklärung zum seltsamen Missverhältnis der schulischen Leistungen zu den späteren Löhnen von Mädchen/Frauen findet sich im Artikel von Thomas Ragni: «Die Knaben (…) wissen vermutlich intuitiv schon sehr früh, dass sie auch im künftigen Berufsleben bevorzugt behandelt werden und sie es deshalb auch mit weniger Anstrengung und kleinerem Schulerfolg weiter als die Mädchen bringen werden.» Schade nur, was er im weiteren aus Marxens These folgert, wonach «der Marktwettbewerb in search for talents and excellence» zwingend kulturell und national differenzierte Formen der Diskriminierung zum Verschwinden bringe. Nämlich: Die restliche Diskriminierung sei Verhandlungssache; Frauen müssten eben ehrgeiziger auftreten, prestigeträchtigere Positionen und höhere Pensen anstreben, um endlich gleich viel zu verdienen. Wobei gemäss Ragnis eigener Feststellung der grösste Teil der ‹gender role beliefs› – z.B. der Chefs oder der Ehemänner – aus der primären Sozialisation in der Familie stammt (wo sie ja nicht Marktgesetzen unterworfen sind).

 

Die Geschlechterdiskriminierung erscheint so als Frauenproblem oder als Naturgesetz, dem Männer machtlos gegenüberstehen. Der grosse rosarote Elefant, der durch beide Artikel trampelt und geflissentlich übersehen wird, heisst jedoch: Männer müssen mehr Familienarbeit leisten, und typische Frauenberufe (wie etwa Primarlehrerin) müssen besser bezahlt werden. Dann ergeben sich nichtdiskriminierende Löhne von selbst.

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