Projektionsfläche

Rund um eine Auswahl von Mars-Aufnahmen der NASA drapiert Kurator Guido Baumgartner unter dem Titel «Utopia Garden» verschiedene sich dazu assoziativ verhaltende Kunstpositionen im Kunst(Zeug)Haus.

 

Wünschen hilft, heissts. Handkehrum gilt es genauso, dabei Vorsicht walten zu lassen, es könnte ja sein, dass das Ersehnte eintrifft. Die Projektionen und Mythen, die den roten Planeten umranken, sind voll der Hoffnung. Ausgehend vom häretischen Traum, dass ‹da draussen› doch noch irgendwas sein muss, zwischenzeitlich als Machtdemonstration alias Wettrennen im Kalten Krieg umgenutzt und aktuell passend zur Klimadiskussion ein Forschungsprojekt für mögliches (Menschen-)Leben mit etwas grösserer Distanz zur Gluthitze der Sonne, ist das Traumpotenzial vom Mars schier unbegrenzt. Die Realität, die der Fotograf Xavier Barral vor sechs Jahren in einer Auswahl aus zigtausenden Schwarzweissbildern der NASA-Sonde «Mars Reconnaisance Orbiter» zu Kunstbuch und Ausstellung versammelte, schaut im Vergleich zur Phantasie wenig träumerisch aus. Dafür sind die Bilder, die aus einer durchschnittlichen Distanz von 300 Kilometern Entfernung alle einen Oberflächenausschnitt von sechs Kilometern Länge zeigen, inhaltlich kaum konkret entschlüsselbar, womit sie wiederum eine anderen Reiz auslösen: Den des Rätselns.

 

Unwirtlich versus paradiesisch

Paradiesisch, wie das die Fotoserie von Denise Kobler von botanischen Gärten als Assoziation zur Disposition stellt, ist dabei nicht der erste Gedanke. Die grellbunten Bilder der augenscheinlich von Menschenhand angelegten Parks stehen ihrerseits lustigerweise auch für die Begrenztheit unseres Vorstellungsvermögens. Die Begeisterung für Exotismus in der Pflanzenwahl rückt das vermeintliche Nonplusultra zurück in die Uniformität. Auch die Marsbilder sind trotz ihrer Verschiedenartigkeit entgegen der Traumvorstellung davon einheitlich schroff und unwirtlich. Vergleichbar dazu sind die hochalpinen Moos- und Farnfotografien von Maya Lalive dem Wesen nach der Marsoberfläche näher. Zwar sind sie nach der ersten Entschlüsselung kaum mehr inhaltlich überraschend, dafür ist ihre Vielfarbigkeit verblüffend. Auf die Farbe Rot und die Uneindeutigkeit des Abgebildeten konzentriert sich Franziska Rutishauser. Hälftig in Fotografien, die wild mäandernde Reifenspuren von mutmasslich monströsen Gefährten im Sand hinterlassen, hälftig in Gemälden, die organische Formen darstellen, die den Zugang der starken Vergrösserung zu den Marsfotos herstellen. Die Kombination aus dem emotionalen Gegensatz von kühl und warm in Gedanken daran schafft Doris von Stokar mit ihren aus einem Grafitauftrag herausradierten Umrissen von Planzendolden, die sie einfarbig aquarelliert. Fehlt noch das Schwerelose alias das nicht nur optisch Unfassbare, was mit den Computeranimationen von Maya von Moos in der Ausstellung eingelöst wird. Ihr Werk ist das einzige, das nicht nur zwingend positiv konnotierte Verbindungen mit dem Ausstellungstitel herstellt. Aus den von ihr konstruierten Welten spricht auch eine gewisse Düsterkeit, ja nachgerade Furcht vor dem nicht in Gänze entschlüsselbaren Unbekannten.

 

Assoziativ umkreisen

Das Abenteuer, ob nun in seiner technischen Machbarkeit oder der Idyllenvorstellung, übernimmt die hauseigene Sammlung von Robinsoniaden, die es ihrerseits – weil kontinuierlich an Ort – nicht ganz einfach hat, eine zwingende Verbindung zu der sie umgebenden Ausstellung zu knüpfen. Als Idee und Ergänzung zu den kuratorisch versammelten Assoziationsansätzen aber einfach erkennbar. Ebenso wie der nachgerade zwanghafte menschliche Trieb, den Thomas Flechtner mit seinen Saatprojekten einbringt, die er doppeldeutig auf Zeitungstitelseiten von überall auf der Welt inszeniert, fotografiert und wiederum auf Zeitungspapier druckt. Die Kombination sämtlicher Zugänge in «Utopia Garden» ergibt insgesamt ein assoziatives Umkreisen, was als Erstgefühl für eine Marsmission recht gut passt: Keine Ahnung, was da ‹oben› wartet, aber der Wille, es zu erkunden ist gross und darum wirkt auch kein Aufwand zu gross. Denn wer weiss, vielleicht…

 

«Utopia Garden», bis 3.11., IG Halle im Kunst(Zeug)Haus, Rapperswil/Jona.

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