He, Sie, Ritter!

Jaa, ich weiss: Ich musste mich schon vor genau einem Jahr über Sie aufregen. Damals hatten Sie ja bereits die Saufrechheit, vom Bund Entschädigungen für die Dürre zu fordern, ohne auch nur den geringsten Gedanken an den Dreck vor der eigenen Haustür. Das war mehr als kühn, denn die Bauernsame ist ja leider klimatechnisch eher ein Teil des Problems als der Lösung. Ich bin mir Unverfrorenheit gewohnt in der Politik, aber – und Sie erlauben, dass ich mich selber zitiere –, nun ist der Fladen aber wirklich am Dampfen, um vokabularmässig im Stall zu bleiben, oder kurz: Ritter, es reicht schon wieder!

Eigentlich wäre es also nicht weiter erstaunlich, wenn Sie ein Jahr später nicht die Spur von Altersmilde zeigen, sondern noch einen Zacken zulegen. Dieses Mal geht es aber ums Wasser, und da hört bei mir die Milde ebenfalls endgültig auf. Es schleckt nun mal keine Geiss weg, dass die Landwirtschaft, aus welchen Gründen auch immer, zur Verschmutzung des Oberflächen- und Grundwassers beiträgt, und zwar massiv. «Die Grundwasservorkommen weisen zunehmend Verunreinigungen auf, die mehrheitlich aus der Landwirtschaft stammen», sagt das Bundesamt für Umwelt dazu. Wenn zu viel Gülle und Mist ausgeteilt wird, reichern sich halt zwangsläufig Nitrate im Wasser darunter an. Das ist bei sage und schreibe 40 Prozent aller Messstellen im Ackerbaugebiet der Fall. Kommt hinzu, dass auch Reste von Pflanzenschutzmitteln oder deren Abbauprodukte zu finden sind, schweizweit bei jeder zweiten Messstelle! Unser Grund- und Trinkwasser ist in Gefahr.

Und was meint der oberste Bauernboss dazu, selber immerhin ja ein Biobauer? Ein ebenso unsympathisches wie faktenfreies «Wir nicht, die andern schon» ist von Ihnen zu hören. Mehr nicht. Schuld sind: Das Bundesamt selber, die Industrie, die Haushalte und die Abwasserreinigungsanlagen, also alle anderen im Land. Super, Ritter! Ganz der verantwortungsbewusste Verbandspolitiker. Die Qualitätszeitung kommentiert: «Selbst für Ritters Verhältnisse ist die Reaktion bissig. Er, ein Biobauer, kämpft um die Existenz der intensiven Landwirtschaft: jener, die mehr als die Hälfte der Nahrung für das Land liefert, 1,5 Millionen Rinder, fast so viele Schweine und über 11 Millionen Hühner.» Und genau da liegt die Sau im Dreck, ums mal so zu sagen: Zu viele Viecher, zu viele Abwässer, zu viel Dünger, zu wenig Land dafür. Und: Auch ein Viertel aller Treibhausgase weltweit werden durch die Agrar- und Forstwirtschaft verursacht. Das alte Lied. Es ist allen bekannt, ausser Ihnen.

Mit einer gewissen Konsterniertheit darf ich zur Kenntnis nehmen, dass ich prophetische Fähigkeiten habe. Vor genau einem Jahr schrieb ich: «Nächstes Jahr sind Wahlen. Sie haben jetzt noch ein paar Monate Zeit, um den Kopf aus dem Misthaufen zu ziehen und zu beweisen, dass Sie sich wirklich für den Bauernstand einsetzen. Wenn’s blöd läuft, machen Ihnen ein paar Murgänge im Herbst und ein paar Lawinen im Winter noch einen Strich durch die Rechnung, aber dann können Sie ja nochmals ein paar staatliche Zuschüsse einfordern.» Und bei allen heulenden Hofhunden: Sie sind auf gutem Weg, sich noch mehr hineinzureiten. Bäuerinnen und Bauern erkennen immer mehr, dass es so nicht mehr weiter gehen kann mit der Viehhaltung, der Landschafts- und Bodenzerstörung, der Gewässerverschmutzung und mit einem Bauernboss, der den Ast, auf dem die Landwirtschaft sitzt, fleissig ansägt, indem er nur beschönigt und abstreitet, anstatt Lösungen zu unterstützen. Mal sehen, was der Herbst bringt.

 

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