Platz, Blase!

«Bitcoin» sei das Finanzwort des Jahres, erfuhren wir Anfang Woche aus diversen Medien. Das ist nicht verwunderlich, denn der Bitcoin ist in aller Munde, seit er einige Nerds zu Million-, ja gar Milliardären gemacht hat. Ein Anlass, dieser sogenannten Kryptowährung etwas auf den Grund zu gehen. Dafür muss man glücklicherweise nicht Ökonomie studieren – Zeitunglesen reicht.

 

Am 30. November titelte die NZZ: «Die Bitcoin-Blase wird platzen – und das ist gut so». Der Kommentator hält fest, dass der Bitcoin im Zahlungsverkehr kaum eine Rolle spielt und deshalb vorwiegend spekulativen Charakter hat. Das ist, angesichts des drohenden Blasenplatzens, beruhigend, wird dieses doch dann die restliche Wirtschaft kaum in Mitleidenschaft ziehen.

 

Die NZZ stellt den Währungscharakter des Bitcoins nicht in Frage, und auch Daniel Stern schreibt «Währung» in seiner lesenswerten Analyse in der ‹WOZ› vom 7. Dezember ohne Anführungszeichen. Sein Blick geht jedoch wesentlich tiefer, der Titel «Bitcoin, das goldene Nichts» spricht für sich. Stern schält heraus, dass es sich beim Bitcoin um reines Spielgeld handle. Diese Einschätzung sei auch in der Finanzbranche verbreitet, was diese aber nicht davon abhalte, mit Wetten auf den Bitcoin-Kurs einen neuen, möglicherweise bald viel grösseren Sekundärmarkt zu schaffen, der dann bei einem Bitcoin-Crash die reale Wirtschaft durchaus mit in die Krise stürzen könnte.

 

Nun frage ich mich: Ist der Bitcoin tatsächlich so anders als der Rest der Finanzwirtschaft? Er scheint mir im Gegenteil eine Art Essenz oder letzte Konsequenz der Entwicklung der Finanzmärkte zu sein: Die ganze Branche hat sich ja von ihrer ursprünglichen Aufgabe, die Finanzströme der Wirtschaft zu regeln, längst emanzipiert und ist zum Selbstzweck geworden. Genau wie beim Bitcoin beruhen Börsenwerte hauptsächlich auf der puren Annahme, dass jemand in Zukunft noch mehr dafür zahlen wird.

 

Und im Gegensatz zu den Spielern in einem Casino glauben die Finanz-Zocker auch noch, ein gottgegebenes Recht auf diese Gewinne zu haben – mit den bekannten Folgen für Arbeitsplätze, Umwelt und Gesellschaft. So gesehen wären «Währungen», die nichts als reine Zockerei ohne Einfluss auf die reale Wirtschaft sind, doch eigentlich eine gute Sache. Dann müsste man nur noch die gesamte Finanzbranche dazu bringen, sich diesen zuzuwenden, und die reale Wirtschaft könnte menschen- und umweltfreundlich umgestaltet werden…

 

So, genug geträumt. Am Dienstag schrieb die NZZ, dass der Kanton Zug nun Bitcoins für Dienstleistungen und Gebühren als Zahlungsmittel akzeptiert. Der Staat adelt also das Spielgeld. Aber damit nicht genug: Aus ‹20 Minuten› erfuhren wir gleichentags, dass eine einzige Bitcoin-Transaktion so viel Energie verbraucht wie ein durchschnittlicher Schweizer Haushalt in 20 Tagen; der gesamte Stromkonsum des Bitcoins ist etwa halb so gross wie jener der ganzen Schweiz. Und nun stellen wir uns den Stromverbrauch vor, wenn sich der Bitcoin als Zahlungsmittel etablierte…

 

Da fragt sich der geneigte Kulturpessimist: Muss man wirklich jeden Blödsinn mitmachen, nur weil «Digitalisierung» draufsteht? War da nicht mal etwas von Klimawandel, Energiewende? Aber statt auf die Vernunft der Leute hoffe ich doch lieber auf das von der NZZ prognostizierte Platzen der Blase – bitte bald. Die Menschheit macht nun mal jeden Seich, nur weil sie es kann.

 

Markus Ernst

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