Optimistisch in die nächsten vier Jahre

«Die Digitalisierung nutzen, das Bevölkerungs- und Mobilitätswachstum bewältigen sowie zum Klimaschutz beitragen.» Das sind die drei übergeordneten von 10 Hauptzielen, die der Regierungsrat für die Legislatur 2019 bis 2023 am Mittwoch präsentierte.

 

Koni Loepfe

 

Legislaturziele sind in der Regel und auch in diesem Fall eher allgemein und sagen mehr über das Klima in der Regierung oder über deren Einschätzung der allgemeinen Lage als über das, was sie in den kommenden Jahren konkret erreichen will – was nicht ganz ganz generell gilt: Wenn Ernst Stocker für die nächsten vier Jahre Investitionen von fünf Milliarden Franken ankündigt, bedeutet dies, dass es dem Kanton mit seinem Infrastrukturausbau ernst ist. Oder wenn Mario Fehr den Kredit für die Frauenhäuser ab nächstem Jahr von 0,5 auf 1,2 Millionen pro Jahr erhöhen will, ist dies durchaus konkret. Zudem bedeuten die Legislaturziele auch nicht, dass sie das Wichtigste in einem Departement sein werden, sondern nur neu oder neu forciert. Auch hier ein Beispiel: Bildungsdirektorin Silvia Steiner nannte Früherziehung und Kindergarten als neue Schwerpunkte, der Lehrplan 21 kam nicht einmal zur Sprache. Das ändert selbstverständlich nichts daran, dass der letzte in den nächsten vier Jahren weiterhin der zentralste Punkt in der Volksschule sein wird. Nur ist die Umsetzung des Lehrplans 21 angedacht und ausführungsreif (teils schon in Kraft). Hier muss man «nur» noch handeln und nicht mehr grundsätzlich denken.

 

Ein Blick zurück zeigt vielleicht am deutlichsten die gewandelten Umstände: Vor vier Jahren stand für die Regierung die Sanierung der Kantonsfinanzen im Vordergrund. Davon war diesmal kaum die Rede: Ernst Stocker präsentierte die Aufteilung der Investitionskosten (Hochbauten aller Art und Gesundheit verschlingen gut 3 von den zur Verfügung stehenden Milliarden Franken) und vertrat die Meinung, dass in gutgehenden Zeiten wie jetzt diese Investitionen aus der laufenden Rechnung bezahlt werden sollten. Er geht davon aus, dass diese Ziele ohne unerwartete Ereignisse erreicht werden können. Von Sparen, von einer Reduktion des Aufwandes war im Gegensatz zu vier Jahren nicht die Rede. Regierungsratspräsidentin Carmen Walker Späh betonte berechtigt, dass es dem Kanton Zürich gut geht: «Er ist gut aufgestellt und wettbewerbsstark. Die Legislaturplanung basiert auf einem in jeder Beziehung gesunden Fundament.» Der Kanton, fuhr sie weiter fort, hat so wenig Arbeitslose wie seit Jahren nicht mehr, die Lebensqualität ist hoch, die Verkehrsinfrastruktur weltweit führend, die polizeiliche Sicherheit und die soziale Sicherheit gegeben. Bei der Sozialen übertreibt sie etwas: Dennoch, für die meisten BewohnerInnen lebt’s sich derzeit im Kanton Zürich gut – sieht man von der globalen Klimaerwärmung und vom mitunter schlechten Gewissen, dass man oft mit Privilegien lebt, ab. Damit es so bleibt, will der Regierungsrat in drei Bereichen speziell viel investieren: In die Digitalisierung, in die Mobilität und ins Klima, wobei beim letzten betont wurde, dass der Kanton nur einen Beitrag leisten kann und dass viele relevanten Entscheide auf nationaler und internationaler Ebene fallen. Sonst fiel mir auf, dass der Regierungsrat sich stark auf Massnahmen und Ziele konzentriert, die er beeinflussen kann – was mitunter an InselbewohnerInnen erinnert, die autark leben. Beispiel: Für die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft spielt in den Augen des Regierungsrats die Einführung und Nutzung der Digitalisierung eine zentrale Rolle. Was unbestritten ist. Nur: Dass der Poker mit der EU oder der zugespitzte Steuerwettbewerb unter den Kantonen für die Rahmenbedingungen der nächsten vier Jahre eine grössere Rolle spielen könnten, erwähnt er mit keinem Wort – was sicher nicht bedeutet, dass es ihm nicht auch bewusst ist. Gerade der Regierungsrat des Kantons Zürich könnte hier gut wieder einmal in Erinnerung rufen, welche Folgen ein verlorenes Pokerspiel haben kann. Der Kanton Zürich fühlte sich vor rund 20 Jahren stark, machte sich führend stark für ein Nein zu einem bestehenden Luftabkommen mit Deutschland und steht heute noch ohne eines da. Die Situation am Flughafen ist auch eine Folge dieser Selbstüberschätzung beim Pokern.

 

10 Bereiche
Zu den Einzelheiten der Legislaturziele, die in 10 Bereiche und 53 Massnahmen aufgeteilt sind: Ich beginne mit der Digitalisierung, die fast überall zum Zug kommen soll. In der Verwaltung als Möglichkeit des Kontakts nach aussen und nach innen, in der Gesundheit als digitales Patientenkrankendossier, aber auch im Bereich der sozialen Zusammenarbeit, den Regierungsrätin Jacqueline Fehr vorstellte. Mit der Digitalisierung ist es möglich, verschiedene Bevölkerungsgruppen besser zu integrieren, im besten Falle sogar die Stimmbeteiligung zu erhöhen. Dass die Digitalisierung andere Bevölkerungsgruppen ausgrenzen kann, blieb allerdings unerwähnt, obwohl Post und SBB dies zeigen. Die Regierungsrätin will das Gespräch mit den Religionen weiterführen und die freiwillige Arbeit fördern, mit dem Ziel, die vielfältiger werdende Gesellschaft besser einzubinden. Zur Integration gehören auch Anstrengungen zur besseren Integration der Aufgenommenen und eine gute Sicherheit. Hier sieht der Sicherheitsdirektor Mario Fehr zwei neue oder verstärkte Schwerpunkte: Der Schutz der SeniorInnen und der Frauen vor Gewalt. Selbstverständlich verstärkt der Kanton auch seine Anstrengungen bei der Bekämpfung der Internetkriminalität und der Geldwäsche. Zur Sicherheit gehört ein funktionierendes Gesundheitssystem. Die neue Zuständige Natalie Rickli ist sich bewusst, dass das Bevölkerungswachstum zu Kostensteigerungen führen wird und dass es ihre Aufgabe sein wird, einen Ausgleich zwischen den verschiedenen Bedürfnissen und Interessen zu finden. Von einer Kostenbremse oder einem auf das Bevölkerungswachstum beschränkten Ausgabenplus sagte sie zum Glück nichts.

 

Bei der Bildung setzt Silvia Steiner – neben der Digitalisierung in der Mittelschule und in den Lehren – zwei bewerkenswerte Schwerpunkte: Früherziehung und Kindergarten. Wie Früherziehung geht, kann man in Winterthur studieren, und beim Kindergarten kostet es Geld. Pädagogisch sind die Kindergärtnerinnen zumindest in der Stadt Zürich punkto Chancengleichheitsförderung voll auf der Höhe. Ihnen fehlt die Wertschätzung, vor allem im Form eines Lohnes, der jenem der LehrerInnen entspricht.

 

Für Carmen Walker Späh ist klar, dass das allseitig wachsende Mobilitätsbedürfnis befriedigt werden muss, wobei sie durchaus intelligente Lösungen statt Beton mitfördern will. Bleibt noch die Umweltpolitik, bei der Martin Neukom zwei Schwerpunkte setzen durfte: Biodiversität und Klimaschutz verbessern. Bei der Biodiversität dürfte er ein ziemlich offenes Feld vorfinden – zumindest so lange es nur Geld kostet. Beim Klimaschutz ist für einen kantonalen Beitrag ans Pariser Abkommen derzeit viel guter Wille spürbar. Wie weit der trägt, zeigt sich dann wohl eher im Kantons- als im Regierungsrat. Bei den Gebäuden wohl weiter als beim Verkehr.

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