Nein zur STAF-Abbauspirale!

In diesem Frühling zahlen die grössten Unternehmen in der Schweiz über 40 Milliarden Franken Dividenden aus. Gleichzeitig stimmen wir über eine Abbauspirale bei den Unternehmens­gewinnsteuern ab. Das «Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung» (STAF) überzeugt nicht. Wir Grünen fordern mehr Harmonisierung statt neue Ungleichheiten.

 

Regula Rytz

 

Die Schweiz muss auf internationalen Druck hin die kantonalen Privilegien für globale «Statusgesellschaften» abschaffen. Das ist parteiübergreifend unbestritten. Trotzdem scheiterte der erste Versuch (USR III) in der Referendumsabstimmung vom Februar 2017 klar. Das Nein der Bevölkerung war ein Fanal gegen die Politik der leeren Kassen. Wer nun aber hoffte, dass im zweiten Anlauf eine ausgewogene Steuerreform verabschiedet wird, sieht sich leider getäuscht. Auch der neue Vorschlag (STAF) führt zum Abbau von über zwei Milliarden Steuerfranken jährlich. Und auch er heizt das interkantonale und internationale Steuerdumping weiter an. Es ist kein Weg aus der Sackgasse, sondern «alter Wein in neuen Schläuchen». So hat ein bürgerlicher Finanzpolitiker die Steuerreform zusammengefasst.

 

Kannibalismus zwischen den Kantonen
Tatsächlich: Die prognostizierten Verluste bei Kantonen und Gemeinden sind praktisch gleich hoch wie bei der USR III. Die Korrekturen reichen nicht aus, um das Rennen nach immer tieferen Unternehmenssteuern zu stoppen. Im Gegenteil: Die Tiefsteuerstrategie der Zentralschweizer Kantone wird mit der STAF nun auch ins Mittelland exportiert. Das sehen wir am Beispiel Solothurn. Dort wird am 19. Mai auch über die kantonale STAF-Umsetzung abgestimmt. Obwohl Solothurn kaum Statusgesellschaften hat, will die Regierung die Gewinnsteuern aus «Standortgründen» halbieren. Unter dem Strich werden die 96 Prozent normalbesteuerten Firmen um 90 Millionen Franken entlastet. Jährlich. Solothurn tappt damit in die gleiche Tiefsteuerfalle wie Luzern oder Obwalden. Ein Abbau bei Bildung, Spitex und Sicherheit ist vorprogrammiert.

 

Doch die Auswirkungen gehen weit über den lokalen Service public hinaus. Wird das Solothurner Steuergesetz am 19. Mai angenommen (was Grüne und SP gemeinsam verhindern wollen), kommen die Nachbarkantone unter Druck. Schon heute drohen namhafte Unternehmen mit dem Umzug von Bern nach Solothurn. Absatzbewegungen gibt es auch von Zürich (21,15 Prozent Gewinnsteuer) in Richtung Basel-Stadt (neu 13,4 Prozent Gewinnsteuer). Generell wird die Ungleichheit mit der STAF weiter angeheizt. Kantone mit vielen Statusgesellschaften wie zum Beispiel Basel-Stadt profitieren nach Aufhebung der verpönten Steuerprivilegien von Mehreinnahmen. Kantone mit wenigen Statusgesellschaften dagegen passen ihre Steuersätze aus Angst vor Firmen-Wegzügen ohne Zusatzeinnahmen nach unten an. Dies führt zu Löchern im öffentlichen Haushalt und zum Abbau des Service public. Genau dazu hat die Bevölkerung vor zwei Jahren Nein gesagt.

 

Die Schweiz ist schon heute eine Lokomotive des globalen Steuerwettbewerbs. Mit der STAF-Spirale sinken die Gewinnsteuern noch weiter in den Keller. Um den bisher privilegierten Unternehmen entgegen zu kommen, setzen Bund und Kantone nämlich auf eine doppelte Entlastung: Erstens sollen die Bemessungsgrundlagen (der zu versteuernde Gewinn) durch neue Sondersteuerinstrumente wie die «Patentbox» reduziert werden. Und zwar nicht nur für die bisherigen Statusgesellschaften, sondern für alle Unternehmen in der Schweiz. Zweitens wird die Besteuerung des Restgewinns durch eine allgemeine Senkung der Kapital- und Gewinnsteuersätze in vielen Kantonen stark reduziert. Auch hier gibt es einen ‹Mitnahmeeffekt› für die bisher normal besteuerten grossen Unternehmen wie z.B. UBS Switzerland. Sie werden insgesamt um über 4,5 Milliarden Franken entlastet. Jährlich. Unter dem Strich vernichtet STAF über zwei Milliarden Franken Steuereinnahmen. Gleichzeitig zahlen die grössten Unternehmen der Schweiz in diesem Frühling über 40 Milliarden Franken Dividenden aus. Und zwar mehrheitlich an Aktionäre und Aktienfonds im Ausland. Die Umverteilung von unten nach oben dreht mit STAF also munter weiter.

 

Globale Ungleichheiten bleiben
Auch entwicklungspolitisch stellt die STAF im Vergleich zur USR III keinen Fortschritt dar. Denn neue Privilegien wie die zinsbereinigte Gewinnsteuer oder der Step-Up locken weiterhin internationales Kapital in die Schweiz. Die geplanten Steuerabzüge auf Patentgewinnen können gar zu effektiven Steuersätzen von nur 9 Prozent führen. Die Beurteilung der STAF durch die Entwicklungsorganisation «Alliance Sud» fällt deshalb vernichtend aus. «Gewinnverschiebungen multinationaler Konzerne in Tiefsteuergebiete wie die Schweiz entziehen den Gemeinwesen weltweit jährlich hunderte Milliarden Dollar an potenziellen Steuereinnahmen. Das ist Geld, das dringend für die Bekämpfung der Armut in den Ländern des Südens oder für den Umstieg auf klimafreundliche Infrastrukturen und die Anpassung an die Klimaveränderung gebraucht würde.»

 

Weil Bundesrat und Parlament die Schwächen der STAF-Vorlage kennen, wurde sie mit einer Finanzspritze für die AHV verknüpft. Die Grünen begrüssen die Stabilisierung der AHV-Finanzen. Sie darf aber nicht mit einer Senkung der Unternehmens-Gewinnsteuern erkauft werden. Denn nicht nur die AHV braucht wegen der «Baby-Boom-Generation» mehr Geld. Auch Kantone und Gemeinden müssen mehr investieren, um die älter werdende Bevölkerung gut zu unterstützen. Allein in den nächsten zehn Jahren sind dazu 30 000 neue Pflegestellen nötig. Sie lassen sich nur mit einer ausgeglichenen Steuerreform finanzieren.
Konkret heisst das: Die Abschaffung der Status-Privilegien und die Erhöhung der Dividendenbesteuerung bei Bund und Kantonen müssen zu Mehreinnahmen führen, die für Übergangsmassnahmen und Steuerharmonisierungen verwendet werden können. Dies ohne Abbau bei Kantonen und Gemeinden und ohne Anheizen des kantonalen und internationalen Steuerwettbewerbs. Eine solche ausgeglichene Minireform ist nur unter Zeitdruck und mit der Androhung eines Platzes auf den schwarzen Listen der OECD oder der EU möglich. Kommt STAF am 19. Mai durch, können wir die Abbauspirale kaum mehr stoppen.

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