Mit Lokalpolitik gegen zuviel CO2

Bis zu den Stadtratswahlen vom 4. März 2018 befragen wir an dieser Stelle die amtierenden StadträtInnen und die neu Kandidierenden zu einem aktuellen Thema – dieses Mal Sicherheitsvorsteher Richard Wolff (AL) zum Thema «Mobilität». Die Fragen stellte Nicole Soland.

 

Heute Freitag endet in Bonn die UN-Klimakonferenz. Zum Auftakt erklärte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD), fast die Hälfte der weltweiten Treibhausgasemissionen entstünden in Städten; deshalb müssten diese auch «Teil der Lösung» sein. In Zürich gibt es kein Kohlekraftwerk, motorisierten Verkehr jedoch schon. Was tun Sie dafür, dass Zürich Teil der Lösung ist?

Richard Wolff: Da unterdessen etwa die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten lebt, erstaunt es nicht, dass von dort auch etwa die Hälfte der Treibhausgasemissionen kommt. Der Verkehr in den Städten verursacht einen Teil des CO2-Ausstosses, auch Betriebe und Heizungen tragen ihren Teil bei. Beim Verkehr anzusetzen, wie wir es in Zürich tun, ist dennoch eine gute Idee – nicht zuletzt deshalb, weil die Lokalpolitik hier tatsächlich Einfluss nehmen kann.

 

Will heissen, beim Verkehr kann man sich nicht damit herausreden, dass der Bund zuständig sei und einem die Hände gebunden seien?

Genau. Das zeigt etwa das Beispiel der Städteinitiative, die 2011 in der Stadt Zürich angenommen wurde und die innert zehn Jahren nach Inkrafttreten eine Reduktion des motorisierten Individualverkehrs um zehn Prozentpunkte verlangt. Neusten Zahlen zufolge ist es möglich, dieses Ziel zu erreichen, denn die Hälfte haben wir zur Halbzeit tatsächlich geschafft. So könnte Zürich zu einem neuen Verkehrsmix kommen mit weniger Autos, sprich weniger CO2-Ausstoss, und stattdessen mehr öV und Veloverkehr. Lokalpolitisch kann man also durchaus etwas gegen die Klimaerwärmung tun.

 

Was tragen Sie konkret dazu bei?

Ich trage diese Verkehrspolitik mit, an der bekanntlich mehrere Departemente beteiligt sind: Für die Infrastruktur ist das Tiefbauamt zuständig, für den öV und dessen Ausbau die VBZ und der ZVV, für die gesundheitlichen Aspekte Lärm und Luftqualität das Gesundheits- und Umweltdepartement, und mein Departement leistet seinen Beitrag mit der Dienstabteilung Verkehr, die für die Signalisation und Markierung, für Ampeln und generell die Verkehrssteuerung zuständig ist. Gemeinsam leisten wir einen Beitrag daran, dass sich die Verhältnisse für Velos, öV und FussgängerInnen bessern. Das passiert dort, wo es nicht anders geht, auch mal auf Kosten des motorisierten Individualverkehrs – was aber wiederum genau der ursprünglichen Forderung der Städteinitiative und weiterer Vorstösse entspricht.

 

Wahrscheinlich würden noch mehr ZürcherInnen das Velo nehmen – doch sie getrauen sich nicht in den Stadtverkehr. Letzte Woche fand in Zürich der erste Tag der Verkehrssicherheit statt. Was hat er gebracht?

Wir haben bei dieser ersten Konferenz, an der übrigens 200 Fachleute aus der ganzen Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein teilnahmen, auf die Sicherheit der Velofahrenden fokussiert. Denn wenn wir in der aktuellen Statistik nachschauen, wie viele Personen total im Verkehr verunfallen, schwer verletzt werden oder gar sterben, dann ist deren Zahl viel kleiner als noch in den 1970er-Jahren, und das, obwohl wir heute mehr Verkehr haben. Doch bei den VelofahrerInnen sieht es anders aus, und das macht uns Bauchweh. An der Konferenz haben wir ein neues Präventionstool präsentiert: 360-Grad-Virtual-Reality-Videos sollen VelofahrerInnen aufzeigen, wo Gefahren lauern und wie man sie umgeht, indem man aufmerksam fährt und auch mal bremst, obwohl man Vortritt hätte.

 

Kurz: Wenn man es nicht schafft, die Infrastruktur sicher genug zu gestalten, dann müssen halt die VelofahrerInnen für den Lastwagen schauen, der rechts abbiegt, und für den Lieferwagen, der zu eng überholt, und für den Fussgänger, der ohne zu schauen unvermittelt die Strasse überquert?

Ich bin sehr dafür, dass wir mehr in die Infrastruktur investieren. Wir gingen schon nach Amsterdam, Utrecht oder Kopenhagen und schauten, was die Verantwortlichen dort machen, und es zeigt sich, dass es sich lohnt, viel Geld in die Infrastruktur zu stecken: Wenn die Infrastruktur auf die VelofahrerInnen ausgerichtet ist, dann fahren praktisch alle ‹anständig› und halten bei Rot. Und vor allem fahren dann viele, viele Menschen Velo; kürzlich habe ich gelesen, dass es in Kopenhagen ein neues Veloleitsystem braucht, weil es an gewissen Orten einfach zu viele Velos hat und die VelofahrerInnen dort täglich im Stau stehen.

 

Ist das Ihr Ziel für die Velostadt Zürich?

Wenn wir dieses Problem haben, bin ich froh (lacht). Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Und was es trotz allem zu beachten gilt: Wir haben in der Stadt Zürich nicht die volle Hoheit über unsere Strassen. Dort, wo die Strassen gross und wichtig sind, redet der Kanton mit. Das macht es nicht einfacher, aber als optimistischer Mensch glaube ich, dass auch beim Kanton die Einsicht wachsen wird, dass es richtig ist, dass die Stadt Zürich mehr macht für den Veloverkehr – auch dann, wenn es einmal auf Kosten des Autoverkehrs geht. Denn es bringt nicht nur Lebensqualität für das Herz des Kantons, sondern es ist auch rein physikalisch gesehen effizienter, wenn man mehr Velos hat und weniger Autos: Alle, die das Velo nehmen, sitzen nicht auch noch in einem Auto im Stau.

 

Zürich soll ein Formel-E-Rennen bekommen: Braucht es ein solches Rennen, um E-Mobilität bekannt zu machen und zu fördern, und ist E-Mobilität wirklich die Zukunft?

E-Mobilität hat verschiedene Aspekte: Wenn in der Stadt nur noch E-Autos verkehren, verbessert sich sicher die Luft. Doch es stellt sich auch die Frage, wie der Strom produziert wird, der die E-Autos antreibt. Auch die Produktion von E-Autos verschlingt viel Energie, die Batterien sind ein weiteres Problemfeld, und vom Platzverbrauch her gesehen ist ein E-Auto einfach ein Auto. Allzuviele Hoffnungen, dass die Lösung der Mobilitätsfragen in der Zukunft im E-Auto liegt, sollten wir uns also nicht machen. Doch E-Autos sind auch leise, und indem man ein Formel-E-Rennen durchführt, zeigt man auf, dass man der E-Mobilität gewisse Qualitäten zugesteht und dass man innovative Technologien unterstützt. In diesem Sinne finde ich es in Ordnung, dass die Formel E nach Zürich kommt.

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