Letzte Kurve auf langem Weg zur Reformierten Stadtgemeinde Zürich

Am 25. November stimmen die Reformierten in Zürich gleichzeitig mit der Selbstbestimmungsinitiative auch über die «Kirchgemeindeordnung der Kirche Zürich» ab und geben damit den Start frei für die grösste Gemeindefusion in der Schweiz.

 

Hannes Lindenmeyer

 

Während über gefährdete Menschenrechte ausgiebig und engagiert debattiert wird, wirft die Abstimmung über die Kirchgemeindeordnung der geplanten «Kirche Zürich» keine Wellen. In einer Kaskade von Abstimmungen ist der Weg zur Fusion der heutigen 34 Kirchgemeinden zur einer Einheitsgemeinde vorbereitet worden. Am 25. November wird der letzte Baustein gesetzt.

 

Im April 2014 haben über 70 Prozent der reformierten Stimmberechtigten den Grundsatzentscheid gefällt, die historischen Kleingemeinden mit Mitgliederzahlen von 1000 bis 5000 Mitgliedern seien zu einer Gemeinde zu fusionieren. Der Alternativvorschlag, es seien mehrere grosse Teilgemeinden zu bilden, fand keine Mehrheit. Insbesondere attraktiv erschien die Möglichkeit, innerhalb einer grossen, administrativ effizient verwalteten Stadtgemeinde verschiedene «Profilkirchen» wachsen zu lassen und so das kirchliche Leben vor Ort zu fördern und die von Laien geführten Quartierkirchgemeinden bürokratisch zu entlasten.

 

Für diese Gemeindefusion mussten übergeordnete gesetzliche Regelungen angepasst werden: Zuerst das vom Kantonsrat legiferierte Kirchengesetz, das die Grundzüge der Organisation der anerkannten Landeskirchen als öffentlich rechtliche Institutionen regelt. Hier wurde die Möglichkeit geschaffen, in Grossgemeinden anstelle von Gemeindeversammlungen ein Parlament einzusetzen. Eine «Stadtversammlung» für 80 000 Stimmberechtigte ist doch eher schwierig vorzustellen. Dem Gesetz nachgeordnet ist die «Kirchenordnung»; nach Beratung in der reformierten Synode kam diese im vergangenen September zur Abstimmung. Erst damit waren die Grundlagen gelegt, um nun im letzten Schritt den Stimmberechtigten eine gesetzeskonforme «Kirchgemeindeordnung» auf Stadtebene vorzulegen.

 

Die eigentliche Herausforderung dieses Fusionsprozesses bestand und besteht darin, wie dem kirchlichen Leben in dieser neuen Grossstruktur Raum und Gestalt gegeben werden kann: Das war ja das ursprüngliche Ziel des Reformprozesses. In mehreren «Grossgruppenkonferenzen» haben zwei- bis dreihundert Kirchenmitglieder, Behörden und Mitarbeitende über Diakonie und Seelsorge, politisches und soziales Engagement, Kirchenmusik und Gottesdienst und viele andere Formen des Gemeindelebens diskutiert und Ideen entwickelt. Das Anliegen, aus diesem inhaltlichen Entwicklungsprozess eine dynamische Organisationsentwicklung wachsen zu lassen hin zu Profilgemeinden, die sich nach und nach aus den bisherigen Kirchgemeinden zusammenfinden, setzte sich nicht durch. Der Gesamtprojektleiter, Andreas Hurter, konnte in allen Planungsgremien für sein Konzept Mehrheiten finden, die Grossgemeinde sei durch zehn Verwaltungskreise – in etwa analog zu den zehn Stadtkreisen – zen­tral zu steuern. Erst als die 34 Kirchgemeinden in Gemeindeversammlungen diese Struktur in einem «Zusammenschlussvertrag» genehmigen mussten, scherten die Kirchgemeinden Witikon und Hirzenbach aus. Sie werden nun der Stadtgemeinde nicht beitreten und weiterhin autonom bleiben.

 

Die am 25. November zur Abstimmung vorgelegte «Kirchgemeindeordnung» regelt die Kompetenzen der auf 2019 neu einzusetzenden Gremien: Ein 45-köpfiges Parlament, eine Kirchenpflege mit sieben Mitgliedern, eine gross ausgebaute zentrale Geschäftsstelle für die Verwaltung der Liegenschaften, des Personals und der Finanzen sowie verschiedene Kommissionen. Zehn Kirchenkreiskommissionen und die neu geschaffenen «Betriebsleitungen» sind der Kirchenpflege unterstellt. Die Mitbestimmung der Kirchenmitglieder beschränkt sich in Zukunft auf Abstimmungen und Wahlen an der Urne, da­runter auch die Wahl aller rund 80 Pfarrpersonen auf einer Einheitsliste für die ganze Stadt. In den Kirchenkreisen sind «Kreisversammlungen» vorgesehen, denen aber keinerlei Entscheidungskompetenzen zustehen.

 

Als für solche Prozesse eher unüblich ist der Umstand zu werten, dass sich der bisherige Projektleiter Hurter von der Zentralkirchenpflege zum ersten Präsidenten der neuen Kirchenpflege wählen liess. Es wird sich weisen, ob das ein Zeichen dafür ist, dass der im Entwicklungsprozess eingeschlagene zentralistische Trend im Aufbau der neuen Stadtgemeinde fortgesetzt wird – oder ob es einzelnen Kirchenorten weiterhin erlaubt sein wird, sich auch mit ungewöhnlichen Mitteln für ihre politischen und sozialen Anliegen einzusetzen (siehe Bild).

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