Lebensgefühl

Der Epilog von Ethan Hawkes Hommage an Blaze Foley bringt das Lebensgefühl, das zuvor in kunstvollen zwei Stunden Film zelebriert wurde, auf den Punkt: Der Friedhofsgärtner verbietet Foleys Lebensliebe Sybil Rosen (Alia Shawkat) das Pflanzen eines Bäumchens und endet mit den Worten: «Sorry, wenn sie Kummer haben. Aber den haben wir alle.»

 

Blaze Foley (1949 – 1989) war ein Outlaw, ein höchst empfindsamer Singer-Songwriter, arm wie eine Kirchenmaus, aber reich an Herzensgüte. Ein liebenswerter, vom Pech verfolgter Tollpatsch und dann wieder ein egoistisches, versoffenes Arschloch. Seine Musik war ihm wichtiger als das Publikum oder gar die Interessen von Plattenfirmen. Wer, wie Sybil Rosen, einen Teil seines Weges mit ihm gehen wollte, hatte sich ihm anzupassen, sich seinen unvorhersehbaren Einfällen unterzuordnen. Er kannte keine gesellschaftliche Konvention, kein Streben nach Wohlstand oder Bildung, aber einer ausgeprägten Begabung, sich ein lebenswertes Leben zu erträumen und schwermütigen Sehnsüchten Melodien und Songlines zu verleihen.

 

Für seine Darstellung hat Ethan Hawke mit Benjamin Dickey eine kongeniale Besetzung gefunden. Ein knuffiger Bär, dem ausser der Durchsetzung seiner Lebens­ideale alles Fortkommen hauptsächlich ehrgeizfrei am Allerwertesten vorbeiging. Den zu lieben das Einfachste auf der Welt gewesen zu sein scheint, das praktische Zusammenleben aber nachgerade unmöglich. Die Übersetzung dieses Lebensgefühls nach den Memoiren von Sybil Rosen teilt Ethan Hawke in drei Stränge auf: Ein Radiointerview mit musikalischen Zeitgenossen in dessen Andenken, eine rudimentäre, szenische Wiedergabe seiner Vita und die Rekonstruktion eines letzten Solokonzertes für eine Aufnahme in einer Spelunke, in der das gesamte Publikum nur auf Townes van Zandt (Charlie Sexton) wartet, der aber nicht kommt. Ein Leben im Wortsinne «on the edge» mit einer Musikspur, die einen vergessen lassen könnte, dass das alles nur ein Film ist. Ein schwermütiges Lebensgefühl, das trotz des Wissens um die vergebene Hoffnung auf Besserung der Umstände alles Leben in diesem Leben auskostet. froh.

 

«Blaze» spielt im Kino RiffRaff.

Dieser Artikel, die Honorare und Löhne unserer MitarbeiterInnen, unsere IT-Infrastruktur, Recherchen und andere Investitionen kosten viel Geld. Unterstützen Sie die Arbeit des P.S mit einem Abo oder einer Spende – bequem via Twint oder Kreditkarte.