Klar versus verspielt

Neben den beiden sich ergänzend inspirierenden Ausstellungen von Christian Herdeg und Nairy Baghramian schmuggelt Sabine Schaschl eine schon fast nicht mehr streitbare Einzelschau von Bernd Ribbeck ins Haus Konstruktiv.

 

Zu hoffen ist, dass diese Aneinanderreihung von Déjà-vus mit eindeutig zuordenbaren Formen, Farben und Konzepten, die Bernd Ribbeck in einer mässig fortgeschrittenen Variation von Malen nach Zahlen mit Kugelschreiber auf verschiedene Träger kritzelt, ein Ausrutscher bleibt und nicht zu einem programmatischen Wegweiser wird. Vielleicht ist es ein stiftungsinterner Tritt an ein Schienbein und damit Auftakt für eine Grundsatzdebatte…

Die beiden anderen – und mehr Fläche in Anspruch nehmenden – Positionen sind regelrechte Gegensatzpaare. Der Zürcher Christian Herdeg schafft mit Lichtröhren Klarheit. Argon leuchtet blau, Neon leuchtet rot, aber ein Grossteil seiner Auseinandersetzung mit Licht ist die technisch-chemische Suche nach weiteren Gasen und deren Leuchtverhalten. Die beeindruckendsten Arbeiten stehen im öffentlichen Raum und weisen den Rahmen einer Museumsausstellung sprengende Dimensionen auf und sind daher nur als Abbildungen hier wie auf seiner Homepage zu sehen. Die Strenge seiner ausgestellten Lichtbilder orientiert sich an den Formen der Säulenheiligen des Museums: Kreis und Quadrat. Teils ist eine fluoreszierende Emulsion direkt auf der Wand aufgetragen, die mit Schwarzlicht aus beiden Gasen die Illusion nährt, hier würde der Bau selber erstrahlen. Mehrere Kreis-Quadrat-Anordnungen sind spielerische Spurensuchen nach der sich verändernden Wirkung. Je nachdem, ob der leuchtende Kreis auf dem quadratischen Träger befestigt ist, als danebenstehend in einen Dialog damit tritt oder sich zwei Kreise mit zwei Quadraten kreuzen, entstehen verschiedene Spannungen. Entgegen dem Grand Old Master der Lichtkunst, James Turrell, experimentiert Christian Herdeg nicht mit dem Raum und dessen möglichst raffinierten Ausleuchtung sondern mit dem Farbenspek­trum innerhalb der Röhre. So ist aufmerksames Beobachten gefragt, will jemand in seinem vermeintlich simplen Werk eines diagonal durch einen Plexiglasquader gestellten Leuchtkörpers entdecken, dass dieser exakt in seiner Mitte die Farbe um Nuancen ändert, was hinsichtlich der technischen Raffiniertheit, die dahinter steckt, kaum umfassend erfasst werden kann.

Ihm entgegen bespielt die aktuelle Zurich Art Prize-Trägerin Nairy Baghramain die unteren Säle deys Haus Konstruktiv mit organischen Formen und Materialien, die sie mit dem Gegenteil implizierenden Chromstahl kombiniert. Die Skulpturen im Erdgeschoss entziehen sich einer eindeutigen Lesart, wobei das Zusammenspiel von orthopädischem Chirurgenstahl mit farblich ähnlichen, aber in der Ausführung sichtbar mit Mängeln behafteten Gusselementen und teilweise mit Wachs überzogenen Gipsfiguren einen automatisch in Richtung mechanischer Reparatur des menschlichen Körpers lenken. Ob im Mundraum oder an den neuralgischen Gelenken, ist von untergeordneter Wichtigkeit. Das Spiel Mensch-Maschine und die Infragestellung in all ihren Ausmassen bis hin zur Fundamentalweigerung, der ‹Natur ins Handwerk zu pfuschen›, wird dadurch unweigerlich angestossen. Im ersten Stock wirft sie dem sonst leeren Raum einen überdimensionierten Hundeknochen vor, der in der Mitte entzweigebrochen ist. Der Hinweis auf ihre Herkunft aus dem Iran (lebt in Berlin) ist zur Entdeckung des beabsichtigten Hintersinns nicht zwingend vonnöten, aber als Krücke, um die eigene Assoziationskette in Gang zu bringen, durchaus hilfreich.

 

«Christian Herdeg: Lyrical Minimalism», «Nairy Baghramian: Scruff oft he Neck» (Zurich Art Prize), «Bernd Ribbeck», bis 15. Januar 2017, Haus Konstruktiv, Zürich.

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