Keine faulen Ausreden

Die Zürcher SP hat ein Identifikationsproblem. Dass nicht nur ich das so sehe, beweist der Absturz der Partei sogar in der Stadt Zürich, einst unbestrittene SP-Homebase. Es wäre eine faule Ausrede, wenn man das jetzt alleine mit der «grünen Welle» entschuldigen und einfach gleich weitermachen würde. Man verliert nicht über fünf Prozent der eigenen Wähler in der Stadt Zürich, weil alle anderen Schuld sind.

Bei einer hohen Identifikation mit den Werten der SP hätte das Wörtchen «grün» nicht gereicht, um abzuspringen. Wahlen sind für die breite Bevölkerung eine Bauchgefühl-Sache. Viele Parteimitglieder vergessen, dass die meisten SP-WählerInnen, die nicht in der Partei sind, die Politik nur rudimentär verfolgen und aus Sympathie eine Liste einwerfen. Was diese WählerInnen mitbekommen, sind die breiten Medienauftritte während der Legislatur. Und das nicht nur im Wahlkampf, der sowieso meistens in der Wirkung überschätzt wird.

Und nein, die SP muss auch nicht «linker» oder «rechter» werden, sondern ihr Profil schärfen. Sie sollte mit der Heckenschere den Kommunikations-Auswüchsen links und rechts zu Leibe rücken und eine klare, humanistische, menschliche Linie fahren, die der Schweiz im Jahre 2019/2020 gerecht wird. Und das möglichst, ohne dabei die Faust zu recken und rote Fahnen zu schwingen.

Ihr jetziger Auftritt zwischen den medienwirksamen Aktionen des rechten Mario Fehr und den RevolutionsromantikerInnen der Juso mit ihren sozialistischen Parolen von 1917 ist so beliebig, dass er viele intuitive Linke nicht mehr überzeugt.

Dazu zählen auch die laut in den Medien verhandelten internen Querelen, die schliesslich zum Abgang von Daniel Frei führten. Frei, der versuchte, Mario Fehr zu schützen. Dieser wurde am Ende mit gleich viel Stimmen aus dem bürgerlichen wie aus dem SP-Lager gewählt, weil er eben keine SP-Politik mehr macht. Den Aussenstehenden zeigte sich ein Bild, in dem zwei Flügel kämpften, die ausser dem Parteinamen keine gemeinsamen Werte mehr haben.

Am rechten, wirtschaftsliberalen Rand fühlen sich viele bei der GLP besser aufgehoben. Gerade in der Stadt Zürich, im Wirtschaftsmotor der Schweiz, haben sich viele ehemals Linke zu einem wirtschaftsliberalen Standpunkt bewegt, auch wenn sie sich immer noch als «links» verstehen. Und genau da dürfte eine soziale Partei keine Kompromisse machen. Für Linke mit hohem humanistischem Anspruch sind inzwischen die Grünen die wählbare linke Partei, weil die ohne (FDP-lastige) Wirtschaftsturbos und pathetische Revolutionsparolen auskommen.

Für mich, der sich in den Abstimmungen zu 99 Prozent auf der Linie der SP befindet, sind die alten Zöpfe, also Klassenkampf-Rhetorik, die Revolutionsromantik, die 80er-Bewegungs-Attitüde und die gelegentlichen Ausrutscher in die sozialistische Ideologie extrem nervig. Ich kann die gleichen Werte wählen, wenn ich eine grüne Liste in die Box werfe, ohne dabei Altlasten bis zurück zur russischen Revolution mit dranzuhängen. Und dabei bin ich in erster Linie links, nicht grün.

Es ist Zeit, dass moderne SozialdemokratInnen, die es ohne Zweifel gibt, die Kommunikation der Partei übernehmen, ohne Rücksicht auf alte Seilschaften, ohne Rücksicht auf pubertäre RevoluzzerInnen oder rechte Wirtschaftsliberale mit sozialem Feigenblatt.

Das Problem sind nicht die Werte der Partei, sondern die Kommunikation und die Stimmen, die gehört werden. Wer mit dem Claim «Für alle statt für wenige» antritt, sollte auch so kommunizieren, dass er alle erreicht, und nicht nur jene innerhalb der Bubble. Und die mediale Breitenwirkung der Kommunikation sollte von prägnanten Persönlichkeiten aus der Mitte der Partei erreicht werden, nicht von den Flügel-Exponenten.

Die daraus entstehende Überzeugungskraft für die meisten Linken, die aus dem Bauch und dem Herzen heraus «links» sind, die sich in erster Linie für eine menschliche Politik und nicht für Klassenkampf interessieren, und die grundsätzlich Ideologien misstrauen, würde sicher zunehmen.

Ausserhalb der Partei-Bubble sind die meisten Linken eben nicht in Marx und dem Sozialismus verwurzelt. Sie finden einfach, dass es einen menschlicheren Umgang in der Gesellschaft brauche. Und genau diese fehlen der Partei immer mehr.

Reda El Arbi, freier Journalist, Blogger und Consultant

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