Genial

Es geht um diese Werbung: «Geniale Köpfe sollten nicht durch Jobben vom Studium abgelenkt werden», ist dort zu lesen und man sieht einen Albert Einstein, der wahlweise Kafi serviert, Pizza ausliefert oder als Velokurier unterwegs ist. Natürlich ist das ein bisschen lustig, so auf den ersten Blick und trotzdem, es gibt da einige Probleme mit diesem Slogan.

 

Die ganz gescheiten Köpfe sollen studieren und nicht durch einen Teilzeitjob abgelenkt werden, das ist das Ziel der ETH Zürich Foundation, einer Stiftung, die für die «he­rausragendsten Talente» Geld sammelt, damit diese mit einem Vollstipendium gefördert werden können. Das ist ein sogenanntes ETH Exzellenz Stipendium. Dieses wird ausschliesslich durch Spenden finanziert, und so soll durch diese Kampagne «anhand des wohl berühmtesten ETH-Absolventen gezeigt werden, wie paradox es wäre, wenn geniale Köpfe durch Jobben vom Studium abgelenkt würden». So schreiben sie. In der Hoffnung, man möge gerade jetzt in der Weihnachtszeit auch der ETH gedenken.
Das bringt mich jetzt in verschiedener Hinsicht in die totale Rage.

 

Es ist, erstens, furchtbar elitär und anmassend. Es entwertet das Arbeiten neben dem Studium, und mehr noch: Der Umkehrschluss heisst, dass die jobbenden Studierenden allesamt Idioten sind, und das ist ja schon einmal ganz grundsätzlich beleidigend. Zweitens wird der Eindruck vermittelt, dass Arbeitserfahrung während des Studiums hinderlich ist. Ernsthaft? Arbeitserfahrung während des Studiums ist wichtig und richtigerweise in vielen Fällen ein grosser Vorteil, wenn es dann um die erste Anstellung geht.

 

Allerdings – und das ist das Problem – ist es so, dass sich einige Studienrichtungen wenig bis gar nicht für Teilzeitarbeit eignen. Um mitzuhalten, liegt ein Nebenjob dann schlicht nicht drin. Und das bringt mich nun zum dritten und wichtigsten Punkt: Was, wenn mein Studium es mir zeitlich nicht erlaubt, zu jobben? Was, wenn ich gleichzeitig kein Genie bin? Wenn ich also zur grossen Mehrheit der normalintelligenten Studierenden gehöre, die aber leider kein Stipendium erhalten, leider keine zahlungskräftigen oder -willigen Eltern haben und sich also die Studiengebühren (die notabene gerade die ETH in diesem Jahr noch erhöht hat!) und alle anderen Kosten eines Studiums nicht leisten können? Wenn ich also nicht exzellent und herausragend bin, sondern guter Durchschnitt ohne grosses Portemonnaie? Dann, so lautet die Antwort, dann studiere ich vermutlich nicht.

 

Die Kosten rund um ein Studium hindern oft gerade jene an einer universitären Ausbildung, die für diese sehr wohl geeignet wären. Menschen, die also über die Fähigkeiten, nicht aber über das Geld verfügen (übrigens sehr oft auch umgekehrt, was mindestens ebenso ärgerlich ist).

 

Es wird hier deutlich, dass der Bildungsweg jeder und jedes Einzelnen dann doch noch immer stark von den finanziellen Ressourcen abhängt. Der Slogan «Geniale Köpfe jobben nicht» ist so gesehen alles andere als ein wenig lustig, sondern dümmlich und zynisch.

 

Man wünschte sich, gerade zur Weihnachtszeit, eine andere Kampagne der ETH. Eine vielleicht, die Geld sammelt, um beispielsweise die Studiengebühren abzuschaffen und all jene Studierenden zu unterstützen, die sich ein Studium nicht leisten können. Eine solche Foundation wäre dann wirklich genial.

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