Symbole und Signale

Eine krachende Niederlage mussten am Sonntag GLP und CVP einstecken. Beide Wahlkampfvehikel-Initiativen wurden am Sonntag mit grossen Mehrheiten versenkt. Die Initiative der GLP, «Energie- statt Mehrwertsteuer», erzielte sogar einen historischen Tiefpunkt. Nur gerade acht Prozent der Stimmberechtigten legten dazu ein Ja in die Urne. Für die erfolgsorientierte junge Partei die erste grobe Niederlage. Immerhin hatten Grüne und Umweltverbände die Initiative unterstützt. Die GLP wollte sich mit der Initiative mit einem Kernthema im Vorfeld der Wahlen positionieren. Ebenfalls mit einem Kernthema verlor die CVP. Die erste ihrer beiden Familieninitiativen erlitt trotz Unterstützung der SVP mit 25 Prozent Ja-Stimmen klar Schiffbruch.

 

Beide Niederlagen zeichneten sich im Vorfeld ab. Die GLP-Initiative erlebte in den frühen Umfragen nicht mal jenen Goodwill, den Initiativen in der Regel vor dem Abstimmungskampf erleben. Die Ablehnung war schon von Anfang an klar. Dass sie so klar ausfallen würde, war dennoch überraschend. Bei der CVP war der Goodwill zu Beginn vorhanden. Wer will schon nicht Familien entlasten? Die Hauptopposition gegen die CVP war aber ausgerechnet in der CVP selber zu suchen: Die Finanzdirektoren, angeführt vom Zuger CVP-Regierungsrat Peter Hegglin, wehrten sich öffentlich gegen die Initiative, weil sie zu grossen Steuerausfällen geführt hätte. Kein Wunder, gab CVP-Chef Darbellay säuerlich bekannt, man wolle sich die Abweichler der CVP noch zur Brust nehmen.

 

Bei beiden Anliegen stellt sich ob der deutlichen Ablehnung – weit deutlicher als beispielweise bei der 1:12-Initiative – die Frage, ob ihre Grundanliegen – Lenkungsabgabe oder Familienpolitik – grundsätzlich durch die Niederlage geschwächt sind. Ganz auszuschliessen ist es nicht. Die ‹Sonntagszeitung› vermeldete, dass die Bundesrätinnen Leuthard und Widmer-Schlumpf an einer Lenkungsabgabe arbeiten. Ob diese Arbeit jetzt ins Stocken gerät, ist noch offen. SVP und FDP jubelten nach der Abstimmung, die Lenkungsabgabe – die Energiewende gar – sei jetzt vom Tisch. Nicht ganz unschuldig daran ist Martin Bäumle selbst. Im Interview mit dem ‹Tages-Anzeiger› sagte der Vater der GLP-Initiative: «Der heutige Tag ist aber ein Rückschritt für einen entscheidenden Teil der Energiewende: Lenkungsabgaben werden es verstärkt schwierig haben bei der Bevölkerung.» Damit macht man aus einer Niederlage eine selbsterfüllende Prophezeiung.

 

Mir scheint, eine Deutung sei wahrscheinlicher als die Absage des Volks an die Energiewende: Mit Steuern spielt man nicht. Die Aussicht auf happige Steuerausfälle bei der Familieninitiative und die Unsicherheit über den grossen Systemumbau bei der GLP-Initiative waren entscheidend. Was nützt der Familie die Steuersenkung, wenn aufgrund der Steuerausfälle bei Bildung, Betreuung und Gesundheit gespart werden muss? Steuererhöhungen mögen unpopulär sein – Steuersenkungen sind aber deswegen nicht automatisch beliebt.

 

Die zweite Lehre: Die Initiativitis, die alle Parteien in den letzten Jahren befallen hat,  ermüdet das Volk. Die Unsitte der Wahlkampfinitiativen ist damit hoffentlich ein bisschen gebremst. Die SP hat das zum Glück bereits vor drei Wochen eingesehen und am Wahlparteitag von Martigny ihre Wahlkampfinitiative zurückgezogen. Die FDP ist nur beschränkt initiativfähig – trotz 100 000 Mitgliedern – und lässt es daher bleiben. Als ehemalige Parteisekretärin kenne ich den Verlauf von Initiativen gut: Mit Enthusiasmus lanciert, mit Ach und Krach gesammelt, der Abstimmungskampf dafür mit wenig Herzblut geführt. Der letzte Teil ist besonders ärgerlich. Wenn zu wenige Ressourcen für den Abstimmungskampf vorhanden sind, kann man es auch sein lassen. Ein gesamtschweizerischer Abstimmungskampf ist teuer – mit einer Million Franken Budget müsste man eigentlich rechnen. Mit einem guten und emotionalen Thema kann man mit weniger Geld und mit mehr Medienpräsenz arbeiten. Ein Selbstläufer ist eine Initiative aber nie.

 

Den Grünliberalen kann man diesbezüglich keine Vorwürfe machen. Sie sind jung – und sie brauchen die Erfahrung. Sie haben es mit viel Willenskraft geschafft, die Initiative einzureichen, nachdem es lange unmöglich schien. Und sie haben gelernt, dass es damit nicht getan ist. Und wenn man den Kern der Initiative nicht einfach erklären kann, dann muss man sich nicht wundern, dass sie keiner versteht. Die GLP ist zudem nicht in den Exekutiven vertreten und keine Regierungspartei, sie muss neue Ideen einspeisen, um gehört zu werden. Das wäre bei der CVP anders. Ihre familienpolitischen Forderungen wären eine klassische Parlamentsaufgabe. Mehrheiten überzeugen, Kompromisse eingehen, dafür eine raschere Umsetzung erreichen. Sowohl mit einer Koalition Mitte-Rechts wie mit einer Koalition Mitte-Links könnte die CVP konkret etwas für Familien erreichen. Wenn sie denn ernsthaft wollte.

 

Eine unerklärliche Niederlage hat die Basler SP eingefangen. Ihre Initiative «Wohnen für alle» wurde von 58 Prozent der Stimmbevölkerung abgelehnt. Die Initiative wollte – nach dem Vorbild der PWG (Stiftung für preisgünstigen Wohn- und Gewerberaum) – eine Stiftung mit 50 Millionen Franken schaffen, die preisgünstigen Wohn- und Gewerberaum anbietet. Basel hat mit einem Leerwohnungsbestand von 0,2 Prozent mittlerweile schon fast Zürcher Zustände. Die Basler SP, die in den letzten kantonalen Wahlen – unter anderem mit dieser Initiative als Wahlkampfvehikel – zugelegt hat, hatte eigentlich mit einem Sieg gerechnet. Die Ablehnung traf sie völlig unvorbereitet. Im Moment läuft noch die Analyse. Zwei Gründe könnten eine Rolle gespielt haben: Die Bürgerlichen haben sich der Diskussion verweigert und damit dem Abstimmungskampf Dynamik entzogen. Der entscheidendere Faktor wird die Ablehnung des (rot-grünen) Regierungsrats gewesen sein. Guy Morin, grüner Stadtpräsident, begründete die Ablehnung damit, dass man abwarten wolle, wie sich das Wohnförderungsgesetz bewähre und dass die Stiftung neben Wohnungen auch Gewerberäume hätte anbieten wollen, damit sei das Fuder überladen gewesen. Leider zeigt sich damit, dass man Probleme manchmal nicht frühzeitig angehen will, sondern erst, wenn sie schon fast zu gross zum Lösen geworden sind.

 

Gute und schlechte Resultate bot der Abstimmungssonntag im Kanton Zürich. Nicht unerwartet war das Ja zum Gestaltungsplan Werk 1 im Winterthur, für den praktisch alle Parteien und Verbände geweibelt hatten. Mehr umkämpft war die Auslagerung des Spitals Uster in eine AG (P.S. berichtete in der letzten Nummer). Dieser Privatisierungsschritt wurde an der Urne neben Uster auch von Pfäffikon, Wildberg und Dietlikon abgelehnt. Die Vorlage war von SP, Grünen und vpod bekämpft worden. Als Signal zeigt es, dass Gesundheitsvorsteher Thomas Heiniger bei seinen Privatisierungsplänen im Spitalwesen die Rechnung noch mit dem Volk machen muss. Leider wieder nicht gereicht hat es für Sabine Ziegler, die im Friedensrichteramt im Stadtzürcher Wahlkreis 1 und 2 ihrer freisinnigen Konkurrentin unterlegen ist. Die anderen bisherigen Friedensrichter wurden alle in ihren Ämtern bestätigt.

 

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