«Die Zusammenarbeit intensivieren»

Kanton und Stadt Zürich scheinen sich mitunter in verschiedenen Welten zu bewegen. Warum er dennoch optimistisch in die Zukunft der beiden ungleichen Partner blickt, erklärt Thomas Vogel, Fraktionspräsident der FDP im Kantonsrat und Mitglied der Geschäftsleitung des Bezirksgerichts Zürich, im Gespräch mit Nicole Soland.

 

Wie gut bzw. schlecht gehen Kanton und Stadt Zürich derzeit miteinander um?
Thomas Vogel: Sowohl der Regierungsrat wie auch der Zürcher Stadtrat bemühen sich redlich, einen guten Umgang zu pflegen. Ein Beispiel ist die Steuervorlage 17, bei der man sich gefunden hat, und auch das Kasernenareal war ein solcher Fall. Bei den beiden Parlamenten hingegen zeigt sich ein anderes Bild: Es besteht die Gefahr, dass sie stärker auseinanderdriften, als es dem Kanton und damit auch der Stadt gut tut.

 

Wie meinen Sie das?
Die Stadt Zürich hat eine herausragende Position im Kanton, und viele Herausforderungen sind nur in den Griff zu bekommen, wenn Kanton und Stadt gut zusammenarbeiten. Allerdings ist das Verhältnis zwischen Kanton und Gemeinden generell nicht völlig spannungsfrei: Aus ihrer Sicht fühlen sich manche Gemeinden immer öfter zu Vollzugsorganen des Kantons degradiert, und nicht wenige haben den Eindruck, immer mehr zahlen zu müssen.

 

Damit liegen sie doch richtig.
Teils ja. Aber: Im Moment sind verschiedene Bestrebungen im Gange, die helfen sollen, die Gemeinden finanziell zu entlasten, etwa mit dem neuen Sozialhilfegesetz oder via Mehreinnahmen beim neuen Mehrwertausgleichsgesetz.

 

Diese beiden Gesetze sind allerdings noch nicht beschlossen.
Nein, aber es sollte sich eine Kompromisslösung finden lassen, mit der beide Seiten gut leben können. Es ist unbestritten, dass in der Sozialhilfe grosse Lasten auf die Gemeinden zukommen. Sie müssen entlastet werden, und wir müssen diskutieren, ob wir eher einen neuen Modus des Finanzausgleichs suchen oder Anpassungen in der individuellen Gesetzgebung vornehmen sollen. Wir Freisinnigen bevorzugen letzteres.

 

Selten einig ist man sich hingegen in der Verkehrspolitik: Soll tatsächlich der Kanton bestimmen, ob am Bellevue eine Spur abgebaut oder wo in der Stadt Zürich Tempo 30 verfügt werden darf?
Ein Eingreifen des Kantons in Gemeindeangelegenheiten muss immer wohlüberlegt sein, denn jede Gemeinde weiss am besten, was gut ist für sie. Den Paradefall Verkehr soll die Stadt grundsätzlich so regeln, wie sie es für richtig erachtet, ausser dort, wo der ganze Kanton betroffen ist, also auf kantonal relevanten Verkehrsachsen. Dort ist es legitim, wenn sich der Kanton gegen Tempo 30, Begegnungszonen oder einen Spurabbau wehrt.

 

Am Bellevue steht man seit dem Spurabbau nicht länger im Stau.
Das mag sein, doch wenn man sich als Aussenstehender Volksinitiativen wie jene der Juso vergegenwärtigt, die Zürich vom Autoverkehr befreien wollen, erhält man beim besten Willen den Eindruck, die Stadt fühle sich als Insel. Ich bin aber zuversichtlich, dass ich als Regierungsrat auch in solchen Fragen Kompromisslösungen finden würde: Diese hängen stark davon ab, wie die beteiligten Personen miteinander umgehen. Ich pflege heute schon ein gutes Verhältnis zu verschiedenen Mitgliedern im Zürcher Stadtrat.

 

Das dürfte seit dem Entscheid zum Kasernen­areal von letzter Woche aber gelitten haben.
Ich habe mich seinerzeit dafür eingesetzt, dass das ganze Kasernenareal frei und der Bevölkerung zur Verfügung gestellt wird. Das verpflichtet auch. Doch ich war von Anfang an gegen das, was die Stadt auf dem Areal plante. Es war mir stets zu bieder. Ich wäre dennoch bereit gewesen, den Deal zu schlucken, wenn er aus finanzieller Sicht gut gewesen wäre.

 

Laut Regierungsrat Kägi war er das.
Ich bin anderer Meinung: Dass der Kanton einen nicht marktkonformen Baurechtszins erhalten, Millionen wegen des schlechten Zustands der Gebäude oben drauf legen und dann noch eine inhaltliche Ausrichtung hinnehmen soll, die keine Bereicherung ist, ist zu einseitig. Gewisse Optionen sind gar nie in Betracht gezogen worden, beispielsweise der Bau von Wohnungen oder von Infrastruktur für Start-Ups. Stattdessen soll es ein bisschen Schule, ein bisschen Café, ein bisschen Soziokultur geben… Wenn die Stadt wirklich nichts anderes anfangen will mit ihrem besten Areal, ist das ihre Sache – aber dann soll sie es auch selber zahlen. Getreu dem Motto «Wer zahlt, befiehlt».

 

Das bürgerliche Wahlbündnis hatte sich kaum der Öffentlichkeit vorgestellt, da schimpfte die SVP-Fraktion im Kantonsrat schon mit Ihnen wegen einer Bemerkung zur Zuwanderung: Wofür würden Sie im Regierungsrat einstehen?
An der Medienkonferenz des Wahlbündnisses habe ich das Bevölkerungswachstum als «grosse Herausforderung» bezeichnet. Ich rede von Zuwachs, nicht von Zuwanderung. Eine Reduktion auf Zuwanderung greift zu kurz. Die Frage der Zuwanderung ist mit der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative geklärt. Ich habe mich lediglich sachlich dazu geäussert, dass wir gemäss Prognosen bis 2040 im Kanton Zürich 300 000 Einwohner­Innen mehr haben als heute, wobei ein Drittel von ihnen in der Stadt Zürich leben wird. Diese vielen Menschen sind einerseits eine grosse Chance, denn sie bringen viel Know-how in den Kanton, sie leben, arbeiten und konsumieren hier und steigern die Attraktivität von Stadt und Kanton. Andererseits braucht es grosse Anstrengungen, um die nötige Infrastruktur bereitzustellen, von Strassen über Schulen und Spitäler bis zur Sicherheit. Damit das gelingt, müssen Kanton und Stadt ihre Zusammenarbeit intensivieren. Das sehe ich als vordringliche Aufgabe.

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