Axpo – der Gemischtwarenladen im globalen Stromgeschäft

Atom- und Wasserkraftwerkbetreiber, Windkraftmakler, Strom- und Gashändler, Detaillist und vieles mehr: Die Axpo ist ein global tätiger, lokal verankerter Staatskonzern.

 

Hanspeter Guggenbühl

 

Grösser könnten die Gegensätze kaum sein: In einem Quartiertreff im Zürcher Stadtkreis 5, wo sich auch ein Tante-Emma-Laden einquartieren liesse, empfängt das Management des Stromkonzerns Axpo Jahr für Jahr die Medienleute, um über das Geschäft zu berichten, das die Axpo heute mehrheitlich im Ausland macht. Der Kalauer liegt da nahe: Global verdienen, lokal kommunizieren. Dazwischen die nationale Verankerung: Die Axpo ist das grösste Schweizer Stromunternehmen und gehört zu hundert Prozent den Nordostschweizer Kantonen.

 

Verlust im Inland, Profit im Ausland
Das Wichtigste im jüngsten Geschäftsjahr 2017/18 (per Ende September) lässt sich kurz abhandeln, denn es gleicht dem Bericht vom Vorjahr: Mit ihrer Stromproduktion in inländischen Atom- und Wasserkraftwerken machte die Axpo erneut Verluste in dreistelliger Millionenhöhe. Mit der subventionierten Windenergie und dem internationalen Stromhandel erzielte sie wiederum erkleckliche Gewinne. Unter dem Strich blieb ein operativer Betriebsgewinn von 348 Millionen sowie ein Konzerngewinn von 131 Millionen Franken; dies bei einem Umsatz von 4,85 Milliarden Franken.

 

Der Wandel in der Energiepolitik und die Schwankungen im Strommarkt wirken sich auf die verschiedenen Geschäftsbereiche unterschiedlich aus. Darum sezieren wir den Gemischtwarenladen Axpo nachstehend nach Produktegruppen:

 

• Atomkraft Mit ihren Atomkraftwerken (AKW) in Beznau und ihren Beteiligungen an den AKW Leibstadt und Gösgen kontrolliert die Axpo mehr als die Hälfte der Schweizer Atomstromproduktion. Das ist ihr teuerstes und zugleich umstrittenstes Geschäft. So produzierten diese AKW in den letzten Jahren tiefrote Zahlen, weil die Reaktoren Beznau I und Leibstadt oft stillstanden und die tiefen Marktpreise die nuklearen Produktionskosten nicht mehr deckten. Das kann sich ändern. Denn sowohl die Spot- als auch die Terminmarktpreise steigen, und alle Axpo-Atommeiler sind jetzt wieder am Netz. Zudem darf die Axpo mit dem Segen der Aufsichtsbehörde die temporär gedrosselte Leistung des AKW Leibstadt schrittweise wieder hochfahren; Vollbetrieb ist dort ab Sommer 2019 geplant. Für die AKW Beznau I und II rechnet Axpo-Chef Andrew Walo weiterhin mit einer 60jährigen Lebensdauer, also bis zum Jahr 2030. Doch eine vorzeitige Stilllegung oder weitere temporäre Produktionsausfälle lassen sich nicht ausschliessen. Atomenergie bleibt auch ökonomisch ein Risiko.

 

• Wasserkraft Die Produktionskosten der Axpo-Wasserkraftwerke im Inland waren im Schnitt angeblich ebenfalls höher als die Erlöse im Strommarkt. Künftig profitieren diese Werke ebenfalls von den anziehenden Band- und Spitzenstrompreisen auf dem europäischen Spot- und Terminmarkt. Zudem ist hier das Risiko von Kraftwerkausfällen kleiner.

 

• Windkraft Die Axpo verfügt über Windkraftbeteiligungen – von der Nordsee bis nach Südeuropa – mit einer Gesamtleistung von über 1000 Megawatt. Zusätzlich managt sie Windkraftwerke von Drittfirmen mit total 14 000 Megawatt Leistung; diese produzieren zusammen rund 40 Milliarden Kilowattstunden (Mrd. kWh) oder zwei Drittel so viel Strom wie alle Atom- und Wasserkraftwerke in der Schweiz. Hier profitiert die Axpo von happigen Subventionen, weil die europäischen Staaten die Elektrizität aus erneuerbarer Energie mit kostendeckenden Einspeisevergütungen stützen.

 

• Gaskraft Die Axpo ist vorab in Italien an mehreren grossen Gaskraftwerken beteiligt. Diese leiden ebenfalls unter tiefen Marktpreisen. Letztes Jahr aber erzielten sie wieder einen Gewinn, weil Italien viel flexibel produzierbaren Strom teuer einkaufen musste, um sein Netz stabil zu halten. Fachsprachlich handelt es sich dabei um «Systemdienstleistungen». Dieses Geschäft wird künftig lukrativer, weil es mehr flexibel produzierbaren Spitzenstrom aus Gas- oder Wasserkraft braucht, um die Schwankungen der zunehmenden Wind- und Solarstromerzeugung auszugleichen.

 

• Grosshandel Ihren Grosshandel mit Strom und Erdgas sowie die Belieferung von marktzutrittsberechtigten Endkunden im Ausland hat die Axpo massiv erhöht, und das offenbar mit Erfolg. Im jüngsten Geschäftsjahr lieferte sie mehr Strom an Endkunden im In- und Ausland (total 71 Mrd. kWh, davon 14 Mrd. kWh im Inland), als die ganze Schweiz jährlich verbraucht (rund 60 Mrd. kWh). Zudem kürte das Fachmagazin «Energy Risk» die Axpo 2018 erneut zur erfolgreichsten Stromhändlerin.

 

• Weitere Produkte Über ihre Tochter CKW beliefert die Axpo auch im Monopol gefangene Kleinverbraucher in der Zentralschweiz und kassiert dafür kostendeckende Tarife. Zudem betreibt der Staatskonzern allerlei Nebengeschäfte; unter anderem verkauft die Axpo IT-Dienste über ihre Tochter Avecteris.

 

Ein biblischer Zyklus – auch in Zukunft?
Im Gemischtwarenladen Axpo dominierten stets die Stromproduktion und der Grosshandel, und das wird auch künftig so bleiben. Damit hängt der Erfolg primär vom Preis auf dem europäischen Strommarkt ab. Dieser Marktpreis stieg mit kurzfristigen Schwankungen von 2001 bis 2008, fiel danach bis Ende 2015 und steigt seither wieder. Das schlägt sich im langfristigen Geschäftsverlauf der Axpo (respektive der Vorgängerin NOK) nieder; dies mit einer terminmarktbedingten Verzögerung von etwa zwei Jahren: Sieben fetten folgten sieben magere Jahre, und bis 2021 stehen wieder fettere Jahre bevor.

 

Ob dieser biblische Zyklus sich fortsetzt, ist allerdings ebenso offen wie der Kühlturm in Leibstadt. In langfristigen Szenarien rechnet die Axpo mit Terminmarktpreisen, die – umgerechnet – zwischen 20 und 70 Franken pro Megawattstunde (1000 kWh) schwanken. Damit verhält es sich mit der Axpo wie mit dem Atommüll: Zukunft ohne Gewähr.

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