Alles offen

Wer die Medienberichterstattung hierzulande zum Thema Impeachment von Donald Trump liest, kommt zum Schluss, dass die Demokraten gerade kollektiv elektoralen Selbstmord begehen. Das Impeachment-Verfahren helfe nur Donald Trump, sei dumm und zwecklos. Ausnahmen sind bloss Philip Löpfe von Watson und Thomas Ley vom Blick. Nun ist Trump tatsächlich ein Phänomen und er wurde 2016 auch sträflich unterschätzt, von seinen politischen GegnerInnen genauso wie den JournalistInnen. Aber der Mann ist nicht Supermann, er ist weder unverwundbar noch unbesiegbar. Die Frage, ob das Impeachment schadet oder nützt ist daher etwas weniger trivial, als es vielerorts dargestellt wird.

 

Worum geht es überhaupt? Ein Whistleblower hat auf ein Telefongespräch aufmerksam gemacht, welches Präsident Trump Anfang des Jahres mit dem ukrainischen Präsidenten Volodymyr Zelenskiy geführt hat. Im vom Weissen Haus veröffentlichten Transkript des Telefongesprächs bittet Trump Zelenskiy, dass dieser Dreck ausfindig machen soll, mit dem Hunter Biden, den Sohn von Trumps Rivalen Joe Biden, belastet werden könnte. Dazu solle sich Zelenskiy an den Justizminister William Barr und seinen persönlichen Anwalt Rudy Guliani wenden. Im gleichen Telefongespräch fragt Trump auch nach Hinweisen zu Crowdstrike. Dabei geht es um eine – vielfach widerlegte Theorie – dass nicht Russland, sondern die Ukraine hinter den Cyberattacken auf den Email-Server der Demokraten steckt. Das Telefongespräch, das sich schon im zusammenfassenden Skript etwas mafiös anhört, wird noch durch weitere erschwerende Umstände begleitet. Zum einen hat Trump eine Woche zuvor die Gelder für die Militärhilfe für die Ukraine einfrieren lassen, zum anderen wurde seitens des Weissen Hauses  – so die Vorwürfe des Whistleblowers – versucht, das Transkript zu vertuschen, in dem es auf einen separaten Server abgelegt wurde. Zu weiteren Schlagzeilen hat geführt, dass Teile der US-Administration sich einmal mehr mit den E-Mails von Hillary Clinton beschäftigen und dass Trump den australischen Premierminister in einem Telefon gebeten hat, Justizminister Barr dabei zu helfen, die Untersuchung von Sonderermittler Robert Mueller zu widerlegen.

 

Trump und die Republikaner verteidigen sich damit, dass sie sagen, dass kein kriminelles Verhalten vorliege. Zum zweiten verweisen sie auf Joe Biden, der als Vizepräsident damals die Ukraine ebenfalls unter Druck gesetzt habe, den damaligen Bundesanwalt abzusetzen, der –  und das ist der Kern des Drecks, den Trump gegen Biden finden möchte – eine Untersuchung gegen eine Firma am Laufen hatte, in der Hunter Biden im Verwaltungsrat sass. Nun ist das nicht ganz vergleichbar: Besagter ukrainischer Bundesanwalt war wegen Korruptionsvorwürfen international unter Beschuss und Hunter Biden kann man nichts vorwerfen, ausser dass er in diesem Verwaltungsrat für bescheidene Leistung unanständig viel verdiente, aber nun ja, das ist eben der kapitalistische Way of life. Dennoch könnte diese Geschichte Trump nützen, weil er gut sagen kann, er habe nichts getan und überhaupt könne man Biden ja dasselbe vorwerfen. Dies hat schon im Wahlkampf 2016 gut funktioniert, nicht zuletzt, weil viele JournalistInnen in einer falschen Vorstellung von Ausgewogenheit stets Verfehlungen von Rechten immer auch noch mit Verfehlungen von Linken anreichern wollen, obwohl das Kaliber der Verfehlung oft mitnichten dasselbe ist. Diese Art von «Beide Seiten tun es»-Journalismus ist auch hierzulande weit verbreitet, wenn beispielsweise in jedem Artikel über Lobbyismus und Verwaltungsratsmandate auch noch ein Beispiel auf linker Seite angeführt wird, um eine Ausgewogenheit vorzutäuschen, die es real nicht gibt.

 

Folgende weitere Gründe werden angeführt, warum das Impeachment Trump nützen könnte: Trump könne sich als Opfer einer Hexenjagd stilisieren, was seine Anhänger mobilisieren könnte. Dann ist nicht ganz klar, ob man Trump rechtlich etwas vorwerfen kann. Aussenpolitik dazu zu nutzen, seine politischen Gegner zu diskreditieren, ist zwar degoutant, aber nicht zwingend illegal. Schwierig wäre wohl eher die Vertuschung, aber auch das werden wir noch sehen.  Zudem hat das Impeachment kaum eine Mehrheit im republikanisch dominierten Senat. Zuletzt wird gerne auf die Geschichte verwiesen. Das Impeachment habe Bill Clinton nicht geschadet und die Republikaner hätten wegen dem Impeachment in den Zwischenwahlen 1998 Sitze verloren.

 

Letzteres ist allerdings historisch widerlegt. In den bisher drei durchgeführten Impeachment-Verfahren (Andrew Johnson, Richard Nixon und Bill Clinton) hat am Ende die Partei profitiert, die das Impeachment-Verfahren angestrebt hat. Im Fall von Clinton war der Zeitpunkt entscheidend. Das Impeachment begann wenige Wochen vor den Zwischenwahlen, vermutlich zu wenig Zeit, um die öffentliche Meinung nachhaltig zu beeinflussen. Zwei Jahre später verloren die Demokraten in einer hauchdünnen Wahl die Präsidentschaft. George W. Bush war damals angetreten, um wieder «Ehre» und «Anstand» ins Weisse Haus zu bringen. Der demokratische Kandidat Al Gore distanzierte sich im Wahlkampf von Bill Clinton. Die Republikaner hielten die Mehrheit des Repräsentantenhauses, die sie 1995 erobert hatten, bis 2006. Zudem steigt die öffentliche Zustimmung. Eine CNN-Umfrage besagt, dass mittlerweile eine knappe Mehrheit der Befragten von 47 Prozent das Impeachment befürwortet, sechs Prozent mehr als bei der letzten Umfrage. 45 Prozent sind dagegen, bei der letzten Umfrage waren es aber noch 54 Prozent. Das Impeachment-Verfahren gegen Richard Nixon startete übrigens gerade mal mit 19 Prozent Zustimmung. Trump ist auch ein ausserordentlich unbeliebter Präsident. Seine Beliebtheitswerte waren in seiner ganzen Amtszeit mit einer kurzen Ausnahme immer negativ.

 

Die DemokratInnen hatten durchaus aus elektoralen Gründen lange gezögert, ob man das Verfahren einleiten soll. Aber elektoraler Erfolg kann nicht das einzige Kriterium in der Politik sein. Donald Trump hat in seiner ganzen Amtszeit und schon davor gezeigt, dass er sich nicht scheut, mit ausländischer Hilfe gegen politische Konkurrenten vorzugehen, und wenig Scham bewiesen, wenn es darum geht, in die eigene Tasche zu wirtschaften. Impeachment ist jetzt also auch die Frage, wie ernst sich ein Gremium wie das Parlament nimmt, wenn seine Aufgabe ja auch die Kontrolle der Exekutive sein sollte. Ob es also schadet oder nützt, wird die Geschichte zeigen. Ich bin aber überzeugt, es ist trotz allem nie falsch, das Richtige zu tun.

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