Klimanotstand

In den letzten Monaten haben sich SchülerInnen in der ganzen Schweiz für einen besseren Klimaschutz eingesetzt. Gleichzeitig wurde die Gletscherinitiative lanciert mit dem Ziel, die Schweiz auf Klimakurs zu bringen. Am Montag trafen sich VertreterInnen beider Lager zu einem öffentlichen Gespräch.

 

Milad Al-Rafu

 

Marcel Hänggi, Mitinitiant der Gletscherinitiative, eröffnet das Podium im ‹Kosmos› mit optimistischen Worten: «Wir befinden uns zurzeit in einer atmosphärischen Stimmung, in der vieles möglich scheint.» Er warnt jedoch vor allzu grosser Euphorie, seien doch noch viele Kämpfe zu gewinnen. Was die Gletscherinitiative verlangt, erklärt er mit wenigen Worten: «CO2-Emission bis 2050 auf null reduzieren und fossile Brennstoffe nicht mehr zulassen.» So simpel diese Forderungen klingen mögen, so stark ist der Widerstand. Dies war nicht zuletzt bei der Verwässerung des CO2-Gesetzes zu beobachten.

 

Klimagerechtigkeit
Cora Tampe, Nadia Kuhn und Jonas Kampus, die drei VertreterInnen der SchülerInnen-Demos, teilen die Forderungen der Gletscherinitiative, wählen aber einen engeren Zeithorizont: So sollen CO2-Emissionen bereits bis 2030 auf null reduziert werden. Angesprochen auf die Frage, weshalb die Mobilisierung so gut geklappt habe, verwiesen sie alle auf die Vorbildfunktion der schwedischen Schülerin Greta Thunberg, die mit ihren wöchentlichen Schulstreiks auf sich aufmerksam gemacht hat. Auch die Klimademos in Australien galten als Inspiration: «Das Gefühl, dass sich auch andere junge Menschen über diese Themen Gedanken machen und ich mit meiner Verzweiflung nicht allein bin, hat mich enorm beflügelt», erklärt Kuhn. Auch Kampus fühlt sich durch das globale Engagement bestärkt: «In 51 Ländern finden Klimademos und Gespräche statt. Diese riesige Eigendynamik gibt uns allen Kraft.»
Dass sich die SchülerInnen seit Längerem intensiv mit dem Thema befassen, merkt man. So wird nicht nur pauschal eine Reduktion der Emission gefordert, sondern man debattiert auch über Klimagerechtigkeit – namentlich die soziale Verträglichkeit von Klimamassnahmen: «Am Beispiel der ‹Gilets Jaunes› in Frankreich hat man gesehen, dass man nicht einfach Klimaschutz auf dem Rücken der ärmeren Bevölkerungsschichten machen darf. Wenn man den öffentlichen Verkehr zusammenspart, die Leute an die Peripherie rausdrängt und dann die Benzinpreise erhöht, ist das schlicht unfair», unterstreicht Kuhn. Doch nicht nur die Forderung selbst steht innerhalb der Bewegung zur Debatte, sondern auch die Art, wie man sich organisiert. «Die Entscheidungen innerhalb der Bewegung werden basisdemokratisch getroffen. Auch gibt kein Individuum, das heraussticht. Interviews werden immer wieder von anderen Personen der Bewegung beantwortet», erklärt Tampe. Die Bewegung distanziert sich auch von gängigen Links-Rechts-Zuschreibungen: «Wir bieten von Mitgliedern der GLP bis zu Linksautonomen allen einen Platz – denn wir sind froh um jede Person, die sich hinter unsere Forderungen stellt», so Kuhn. Auch Tampe sieht nicht ein, warum ein SVP-Bauer, der sich mit der Dürre herumschlagen muss, nicht genauso an Klimaschutzmassnahmen interessiert sein soll.

 

Kollektives Handeln
Hänggi unterstreicht, dass die Klimabewegung pluralistisch bleiben muss: «Die Klimasenioren beschreiten den rechtlichen Weg, die Jungen gehen auf die Strasse, und wir versuchen, mit politischen Mitteln eine Veränderung herbeizuführen». Dass in der Klimadebatte von den Bürgerlichen wenig Handlungsbereitschaft gezeigt wird, erklärt er sich damit, dass hier ein strikter Fraktionszwang herrscht: «Auch SVP-Vertreter haben mir schon mitgeteilt, dass sie die Initiative unterstützen, dies aber nicht öffentlich machen können.» Einig sind sich alle, dass die Lösung nicht auf individueller Ebene zu suchen ist. Die SchülerInnen gaben zwar Auskunft über ihren persönlichen Beitrag zur Emissionssenkung, wie etwa den Verzicht auf tierische Produkte oder Flugreisen. «Beim Klimawandel handelt es sich jedoch um ein Problem, das man kollektiv angehen muss – schliesslich sind allein 100 Unternehmen, wie etwa ExxonMobile, Shell oder BP für 71 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich», stellt Kampus klar. Auch Hänggi hält den individuellen Ansatz für falsch: «Beim Gegenüber stets einen Beitrag zur CO2-Emission zu suchen, dient nur dazu, von der Dringlichkeit des Problems abzulenken.»

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